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Fahrsalon statt Kanzlerfrisur

Bernstadt. Sechs Jahre lang frisierte Ute Christoph Deutschlands Politiker im Bundestag. Jetzt fängt sie in ihrer Heimat noch mal neu an.

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Von Daniela Pfeiffer

Vom Bundestag in die Seniorenresidenz nach Bernstadt. Welch ein Schritt zurück in die Pampa! Das hat Ute Christoph in letzter Zeit mehrfach gehört. „Viele können nicht verstehen, wie ich einen so tollen Job aufgeben konnte, nur um wieder hier zu sein“, sagt die 36-Jährige. „Aber hier ist meine Heimat. Hier will ich leben und alt werden.“

Der „tolle Job“ hat sie mit bekannten Leuten zusammengebracht. Den namhaftesten Promis – in erster Linie Bundestagsabgeordneten – hat sie die Haare gerichtet und dabei viel aus deren Privatleben erfahren. „Über Politik wurde nämlich kaum gesprochen, die Kunden sollten bei uns von ihrer Arbeit abspannen“, so Ute Christoph. Nach außen getragen wurde davon nichts. „Von Anfang an galt bei uns immer: Wir sind kein Tratschsalon.“ Darauf habe sie als Salonleiterin ihre Mitarbeiter eingeschworen.

Das heißt natürlich nicht, dass sie nicht immer wieder nach der Haarpracht von Gerhard Schröder gefragt wurden: Zum Beispiel, ob er denn nun hat oder nicht. Sowohl Ute Christoph als auch dem damaligen Kanzler hing die Frage irgendwann zum Halse raus. Deshalb sagt sie ein für allemal: „Nein, er hatte keine gefärbten oder getönten Haare. Zumindest nicht, solange er zu uns kam. Es sah im Fernsehen vielleicht manchmal so aus“, sagt die Großhennersdorferin.

Begonnen hat ihre Karriere in einem kleinen Dorfsalon in Großhennersdorf. Nach der Meisterschule in Heidelberg übernahm sie die Leitung des Frisörsalons im Görlitzer Karstadt-Kaufhaus. „Dann habe ich meinen späteren Mann kennengelernt und bin mit ihm nach Berlin gegangen.“

Medienrummel um den Salon

Nach drei Jahren im Kaufhaus des Westens (KaDeWe), wo sich Christoph schon mal ans „gehobene Berliner Publikum“ gewöhnen konnte, wurde die Stelle für den neu eröffnenden Frisörsalon im Bundestag ausgeschrieben. Die damals 30-Jährige bekam sie und stand damit eine Zeit lang fast genauso im Medienrummel wie ihre Kunden. „Fernsehen, Radio, Zeitung, sie waren alle da“, erinnert sie sich. „Am Anfang haben wir ganz schön gezittert, wenn wieder die Presse kam.“

Natürlich waren sie und ihre Mitarbeiter auch wegen der namhaften Kunden aufgeregt. „Es war für uns alle Neuland, denn ein solcher Salon ist in Deutschland einmalig. Ich wusste aber, dass ich gutes Personal habe, und irgendwann habe ich mir gesagt, dass das alles nur Menschen sind.“ Zu Ute Christophs Kundenstamm zählten unter anderem Johannes Rau, Franz Müntefering und Maria Böhmer, Staatsministerin unter Angela Merkel.

Merkel selbst war allerdings nie Gast im Bundestagssalon. „Frau Merkel hat ihren eigenen Stylisten, der jeden Tag in ihr Büro kommt“, weiß Ute Christoph.

Neben den Herren und Damen Politikern, die in der Mittagspause zum Frisieren vorbei kamen, stand der Salon auch anderen offen. So zählten Mitarbeiter der umliegenden Botschaften oder des ARD-Hauptstadtstudios zum Kundenstamm, genau wie illustre Gäste des nahen Adlon-Hotels. „Als Michael Jackson damals in Berlin war, ließ er jemanden zu uns kommen, um sich einen Fön zu leihen“, erzählt Christoph. Zurückgebracht wurde er nicht mehr. „Aber das Adlon hat ihn uns ersetzt.“

Vermutlich hat der Star Gefallen daran gefunden, denn wie die gesamte Ausstattung waren auch die Föns das Beste vom Besten. So gab es unter anderem schwarze Ledersessel mit integrierter Lendenwirbelmassage und Fernseher.

In den sechs Jahren im Bundestag habe sie tiefgründiges Wissen über das Leben der Abgeordneten erlangt, schmunzelt Ute Christoph. Ihre politische Haltung hat sich aber nicht verändert. „Menschlich und fachlich hat mir die Zeit im Berliner Salon unheimlich viel gebracht“, sagt sie heute. Betont aber zugleich: „Die Frisuren waren sehr konservativ. Da war nichts mit Strähnchen oder großartigen Veränderungen. Bei Politikern ging es um den Wiedererkennungswert. Möglichst immer so aussehen wie auf dem Wahlplakat.“

An keinen Salon gebunden

Solche Ansprüche hat die jetzige Kundschaft von Ute Christoph wohl nicht. Mit ihrer Rückkehr aus Berlin hat sich die junge Frau selbstständig gemacht und will an keinen Salon gebunden sein. Trotzdem ist sie drei Tage pro Woche in der Bernstädter Seniorenresidenz. „Ansonsten bin ich immer erreichbar und ganz flexibel. Ich frisiere auf Wunsch in Bernstadt oder bei den Kunden daheim.“

Dass die nächsten Jahre vielleicht nicht so einfach werden mögen, dessen ist sich Ute Christoph durchaus bewusst. „Aber wer nichts wagt, gewinnt nichts. Ich habe gemerkt, wo ich hingehöre und will bleiben.“

Kontakt: Montag (9 bis 18Uhr), Mittwoch (9 bis 14Uhr) und Sonnabend (8 bis 13Uhr) in der Pflegeresidenz Bernstadt (Adolf-Klose-Str.16a) sowie unter 01520/1776860.