Von Jürgen Müller
Meißen. Es muss mächtig gekracht haben an jenem 14. August vorigen Jahres auf der Ziegelstraße in Meißen. An jenem Tag rast gegen 21 Uhr ein Audi gegen einen Laternenmast. Der kippt um, es entsteht ein Schaden von mehr als 1 400 Euro. Auch der Audi ist im Frontbereich schwer beschädigt. Dessen Fahrer, ein 29-jähriger Meißner, wechselt noch ein beschädigtes Rad aus, sammelt Fahrzeugteile auf – und verschwindet. Auf die Idee, die Polizei zu rufen, kommt er nicht. Das hat wohl einen guten Grund. Denn offensichtlich war der Mann betrunken. Am nächsten Vormittag schlägt der Mann doch bei der Polizei auf. Hat ihn plötzlich die Reue gepackt? Wohl nicht. Eher geht es dem Meißner wohl darum, dass die Versicherung seinen Schaden am Auto reguliert. Er tischt den Polizisten eine Geschichte auf, die als Klassiker gilt. Er will einen Wildunfall melden. Am Abend zuvor sei er einem Reh ausgewichen und dadurch gegen den Laternenmast geprallt, erzählt er.
Das Auto hat er nicht mit, Fell oder Ähnliches ist an dem Fahrzeug auch nicht zu finden. Und das Tier ist natürlich auch weg. Die Polizisten bemerken bei ihm Alkoholgeruch, machen einen Atemalkoholtest. Dass er getrunken hat, gibt der Mann zu, allerdings erst nach dem Unfall. Der Verdacht liegt nahe, dass er schon betrunken den Unfall verursachte und jetzt Restalkohol hatte. Mehr als einen Verdacht gibt es aber nicht. Deshalb ist er auch des Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht angeklagt.
Führerschein wird nicht entzogen
Wegen Unfallflucht – juristisch exakt heißt es unerlaubtes Verlassen des Unfallortes – sitzt er nun vor dem Meißner Amtsgericht. Sagen will er erst mal gar nichts, was sein gutes Recht ist. Dafür reden die Polizisten. Dass es im Auto auch einen Tag danach noch nach Bier gerochen habe und der Angeklagte bei dem Unfall eine Verletzung an der Stirn erlitt, weil er nicht angeschnallt war. Dass die Sache mit dem Reh auch deshalb ziemlich unwahrscheinlich sei, weil links und rechts der Straße ein Zaun ist. Dass er nicht gleich zur Polizei gegangen ist, sei darauf zurückzuführen, dass er „unter Schock“ gestanden habe, hatte der Angeklagte der vernehmenden Polizistin gesagt.
Die Meißner Stadtwerke, denen die Laterne gehört, haben diese inzwischen reparieren lassen, dafür knapp 2 200 Euro bezahlt. Die Versicherung des Angeklagten hat den Schaden vollständig bezahlt, sagt Lilly Schneider, Pressesprecherin des Unternehmens.
Verteidiger Bernd Lehmann spricht von einem „nicht sehr bedeutenden Schaden“. Sein Mandant habe sich vor Ort nicht ordentlich verhalten, sich jedoch innerhalb von 24 Stunden bei der Polizei gemeldet. Der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort sei deshalb nicht erfüllt, sein Mandant sei freizusprechen, plädiert er. Staatsanwalt Ralf Grunenberg sieht das ganz anders. Er fordert eine Geldstrafe von 1 200 Euro. Richterin Ute Wehner geht sogar darüber hinaus. Sie verurteilt den Meißner zu einer Geldstrafe von 1 600 Euro. „Sie haben eine Unfallflucht begangen und einen bedeutenden Schaden angerichtet“, begründet sie kurz.
Dabei hat der Angeklagte sogar noch großes Glück, dass er um ein Fahrverbot oder gar um eine Entziehung der Fahrerlaubnis herumkommt. Dies sei nur dem Umstand zu verdanken, dass zwischen Tat und Verhandlung eine geraume Zeit vergangen sei, so die Richterin.