Von Peter Hilbert
„Wir fühlen uns vorgeführt wie kleine Kinder“, macht Grit Mühl ihrem Ärger Luft. Im Frühjahr 2002 hatte das Pirnaer Rathaus den Gebäudekomplex Pratzschwitzer Straße 124 ausgeschrieben. Detlef und Grit Mühl wurden aufmerksam. Schließlich suchte die junge Familie mit zwei Kindern, die derzeit noch in einer Heidenauer Plattenbau-Wohnung lebt, eine neue Bleibe. Das Gehöft in Pratzschwitz schien ihnen für ihre Zwecke ideal. Schließlich ist der Familienvater selbstständiger Dachdeckermeister, hätte hier gleich das Domizil für seine Firma mit unterbringen können. Doch daraus wurde nichts. Denn die vom Rathaus geforderten 113 000 Euro wollte und konnte Familie Mühl nicht hinblättern. Umso verwunderter waren die jungen Leute, als sie Mitte März in der SZ lasen, dass genau dieses Grundstück verkauft ist. Aber nicht für 113 000 Euro, sondern für 20 000.
Stadt will 113 000 Euro für
Hausschwamm-Paradies
Dabei habe einst angeblich kein Weg hinein geführt, den Komplex für eine geringere Summe zu verkaufen, erinnert sich Grit Mühl. „Wir hatten das Haus damals mit einem Fachmann besichtigt. Es sah schlimm aus. Überall war der Schwamm drin. Jeder hat gesehen, dass es nicht 113 000 Euro Wert ist.“ Deshalb habe die Familie bei der Stadtkämmerei nachgefragt, ob man nicht doch mit dem Preis runtergehen könne. Es hätte aber die Auskunft gegeben, dass nichts zu machen sei.
Also gaben Mühls kein Angebot ab. Es traf auch kein weiteres im Rathaus ein. Es ging in die nächste Runde. Wieder blieb die Heidenauer Familie am Ball, hoffte nun zum Zuge zu kommen. Die Flut kam, die Ausschreibung auch. Allerdings erhielten Mühls während dieser Zeit keine SZ, also auch nicht die Ausschreibung. „Allerdings bekamen wir Anfang September einen Anruf von der Stadtkämmerei“, erinnert sich Detlef Mühl. Eine Stadt-Mitarbeiterin habe dann Anfang September mitgeteilt, dass es nunmehr einen Bewerber gebe und gefragt, ob die Familie noch Interesse an dem Grundstück habe.
„Aber sie haben dennoch auf den Preis von 113 000 Euro gepocht. Wir sollten uns sofort entscheiden“, schildert Frau Mühl das Gespräch. Also verzichteten die jungen Leute auf ein Angebot – und sind nun verärgert, dass CDU-Stadtrat Rühle das Objekt für gerade mal 20 000 Euro erhalten hat.
Die Familie Mühl hätte doch bei der zweiten Ausschreibung kein Interesse gezeigt, verteidigt Rathaussprecher Klaus Hensel das Vorgehen der Stadt. Er verweist auch darauf, dass die Stadt doch mit der September-Information an die Heidenauer über die nahende Vergabe des Grundstücks ihrer Pflicht Genüge getan habe. „Die haben uns so richtig veralbert“, kann Grit Mühl das Vorgehen immer noch nicht fassen. Volker Rühle hatte geahnt, dass es mit dem Kauf zum geringeren Preis noch Ärger geben kann. „In Pirna gibt es einige Politiker, die mit Immobilien voll in die Scheiße gegriffen haben“, weiß er.
Rühle setzt auf eine
saubere Lösung
Deshalb wollte er klare Verhältnisse, hatte gefordert, dass der Finanzausschuss dem Geschäft zustimmt. Das tat das Gremium im Januar. Der Pirnaer, der das Haus in Pratzschwitz für sich und seine Familie ausbaut, sieht sein Vorgehen deshalb als absolut sauber an.
Familie Mühl ist schon klar, dass trotz ihrer Verärgerung jetzt nichts mehr zu ändern ist. Sie wollen sich woanders nach einem Grundstück zum günstigen Preis umsehen, das sie ausbauen können. Pirnas Oberbürgermeister Markus Ulbig (CDU) ermutigt sie. Die Stadt hätte noch genügend kommunale Häuser im Angebot.