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Familie rettet Vierseithof

Lange war das Gebäude im Ortszentrum ein Schandfleck. Von der Sanierung soll das gesamte Dorf etwas haben.

Von Jürgen Müller
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Göran und Anja Schultze auf ihrem Vierseithof in Heyda. Ein Haus ist schon fast fertig, die vier Wohnungen sind vermietet. Doch auf dem mindestens 350 Jahre alten Bauernhof ist noch viel zu tun. Bis März nächsten Jahres sollen drei der vier Gebäude sanier
Göran und Anja Schultze auf ihrem Vierseithof in Heyda. Ein Haus ist schon fast fertig, die vier Wohnungen sind vermietet. Doch auf dem mindestens 350 Jahre alten Bauernhof ist noch viel zu tun. Bis März nächsten Jahres sollen drei der vier Gebäude sanier ©  Sebastian Schultz

Hirschstein. Der Mittwoch ist gebongt. An diesem Tag lässt die Immobilienmaklerin Anja Schultze, ihr Immobilienbüro so gut es geht Immobilienbüro sein. Immer wieder mittwochs ist sie in Heyda hier in einem alten Vierseithof. Die 41-jährige Mutter zweier Kinder und ihr Mann Göran Schultze (45) haben sich selbst eine Mammutaufgabe gestellt. 

Bis März nächsten Jahres sollen drei der vier Gebäude weitestgehend saniert, die Dächer und die Fassaden erneuert sein. Damit verschwindet ein Schandfleck in dem kleinen Ort mitten an der Hauptstraße zwischen Riesa und Kobeln. Zu DDR-Zeiten hatte das Anwesen die LPG genutzt, nach der Wende bekamen die Alteigentümer das Grundstück zurück. Die Erbengemeinschaft ließ es verfallen. 2017 schließlich haben es die Schultzes gekauft. Das Grundstück wurde im Internet angeboten. „Meine Intention war damals eine ganz andere. Ich suchte schlicht Unterstellmöglichkeiten für meine Technik“, sagt Göran Schultze, der als Bio-Landwirt arbeitet und rund 40 Hektar bewirtschaftet. 

Gern hätte er auch die 80 Hektar Feld mit gekauft, doch die wurden nicht mit angeboten, die Fläche ist verpachtet. So mussten sich die Schulzes mit dem 8 000 Quadratmeter großen Grundstück begnügen. Und sind ein Risiko eingegangen, dem sich nicht jeder aussetzen würde. „Wir durften die Häuser innen nicht besichtigen, haben praktisch die Katze im Sack gekauft“, sagt Anja Schultze.

Manche hätten gesagt, sie seien doch irre, eine solche Ruine zu kaufen. „Das ist tatsächlich eine Wundertüte. Jeder Tag bringt eine Überraschung“, sagt Göran Schultze und meint damit nicht nur positive. „Ehrlich gesagt, hatten wir damals auch keinen Plan, was wir sonst noch mit dem Grundstück anstellen sollten“, gibt seine Frau zu. Auch wie alt der Bauernhof ist, kann sie nicht mit Sicherheit sagen. „Wir haben beim Kauf keinerlei Unterlagen bekommen. In Aufzeichnungen wird der Hof 1640 erstmals erwähnt“, sagt sie. 

Gebaut wurden die Gebäude, die ausschließlich aus Bruchsteinen bestehen, aber wohl schon viel früher. „Da kommt Freude auf, wenn man einen Nagel in die Wand schlagen will“, sagt Göran Schultze. Er und seine Frau waren dennoch vom guten Zustand der Bauten überrascht. Zwar sind die massiven Wände wie so oft in alten Häusern teilweise nass, ansonsten ist die Bausubstanz aber in Ordnung. Dachbalken müssen beispielsweise nur punktuell im Stallgebäude ausgetauscht werden. Die früheren Ställe werden schon jetzt wieder genutzt. Drei Schweine und 80 Hühner sind dort untergebracht.

Das direkt an der Straße stehende Ensemble prägt das Ortsbild mit.
Das direkt an der Straße stehende Ensemble prägt das Ortsbild mit. ©  Sebastian Schultz

Unter Denkmalschutz steht der Hof nicht, wohl aber die angrenzende ehemalige Gaststätte, die seit Jahren leer steht. Einst gehörte beides zusammen, bildete das Schenkgut. Weil der Gasthof, der immer mehr verfällt, unter Denkmalschutz steht, können die Schultzes beispielsweise die Fassade nicht nach Gutdünken gestalten, sondern müssen sich an der Umgebung orientieren.

Einen Plan haben die Schultzes inzwischen. In einem Gebäude, das schon fast fertig saniert ist, wurden vier Wohnungen eingerichtet. Sie sind alle schon vermietet. Demnächst erhalten nun auch Stallgebäude und Scheune ein neues Dach und eine neue Fassade. Dafür gibt es Fördermittel aus dem europäischen Leader-Programm. Die sind jedenfalls beantragt, die Aussichten auf Förderung gut. Wenn es klappt, gibt es 50 Prozent Förderung.

Doch nicht nur für sich selbst sanieren die Schultzes den alten Vierseithof. Hier soll auch ein kleiner Dorfladen entstehen, und zwar ein ganz besonderer. Ein Bioladen, in dem die Produkte unverpackt verkauft werden. Auch eigene Produkte sollen in dem 40 Quadratmeter kleinen, aber feinen Laden verkauft werden. „Es ist ein Pilotprojekt, einen solchen Laden gibt es in der Umgebung noch nicht“, sagt Anja Schultze.

Kurz vor Weihnachten soll er eröffnet werden, vorerst drei Tage in der Woche von nachmittags bis abends geöffnet sein. Dann werden die Schultzes auf dem Grundstück auch wieder einen kleinen Weihnachtmarkt veranstalten, zum dritten Mal übrigens. „Das ist zwar jede Menge Arbeit, aber die Leute danken es uns. Wir fühlen uns wohl hier in Heyda, es gibt eine sehr gute Dorfgemeinschaft, da tut man doch gern etwas“, sagt Anja Schultze, die seit Jahren Gemeinderätin ist, auch am 26. Mai kandidiert, nicht nur für den Gemeinderat, sondern auch für den Kreistag.

Ist das nicht alles ein bisschen viel, die Familie, die Arbeit, der Hof, die Ehrenämter? „Wenn ich ehrlich bin, die Kinder kommen derzeit ein bisschen zu kurz“, sagt sie. Allerdings fühlen sich die 18-jährige Tochter Paula, die im Milchcenter Prausitz lernt, und der elfjährige Sohn Fritz auf dem Bauernhof jetzt schon sehr wohl. Auf den Hof ziehen will die Familie, die in Heyda ein Einfamilienhaus besitzt, allerdings nicht. Wie das Hauptgebäude einmal genutzt werden soll, das werde sich mit der Zeit ergeben, sagt Anja Schultze. 380 Quadratmeter Wohnfläche wären jedenfalls für die vierköpfige Familie zu viel. Und auch ihr Immobilienbüro mit zwölf Mitarbeitern und zwei Standorten in Riesa und Seerhausen will sie in dem Bauernhof nicht einrichten. „Ein bisschen Abstand zwischen Arbeit und Privatem muss schon sein“, sagt sie.

Der Hirschsteiner Bürgermeister Conrad Seifert (CDU) ist von dem Projekt beeindruckt. „Ich finde es sehr schön, dass eine junge Familie einen alten Vierseithof saniert und damit auch ein Schandfleck verschwindet“, sagt er. Seifert kennt nicht nur Anja Schultze aus dem Gemeinderat, sondern auch ihren Schwiegervater Achim Schultze. Der war ebenfalls Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister, starb im vergangenen Jahr. „Mein Schwiegervater hatte selbst einen Bauernhof. Schade, dass er das nicht mehr erleben kann. Er wäre begeistert gewesen“, sagt sie und wischt sich verstohlen ein paar Tränen aus dem Gesicht.