Von Peggy Zill
Seit sieben Jahren ist Brigitte Christ Tagesmutter in Döbeln. Nun hat das Landratsamt ihr verboten, weiter Kinder zu betreuen. Für die Familien ist das ein echtes Problem. Zehn Kinder stehen quasi auf der Straße. Das wollen sich die Eltern nicht bieten lassen. Denn mit der Arbeit von Brigitte Christ waren sie immer zufrieden.
Bei einer Kontrolle des Jugendamtes am Donnerstag vergangener Woche waren sechs statt der erlaubten fünf Kinder anwesend. Schon bei einem Besuch im Januar war das der Fall. Für die Mitarbeiterinnen des Landratsamtes Grund genug, Christ sofort die Betriebserlaubnis zu entziehen.
Wohnung ist groß genug
Brigitte Christ leugnet auch gar nicht, dass das so war, aber Verständnis hat sie für die Entscheidung des Amtes nicht. Weil die Tagesmutter Kinder früh und spät nachmittags betreut, war es zu der Überschneidung gekommen. Ein Kind war noch nicht abgeholt worden, während ein anderes schon da war. „Bei den flexiblen Arbeitszeiten, die die Eltern haben, kann es doch passieren, dass mal kurz ein Kind mehr hier ist“, so Christ. Das sei in ihren Augen kein grober Fehltritt, weil es niemanden stört. „Das Spielzimmer ist 30 Quadratmeter groß, die gesamte Wohnung hat 115 Quadratmeter. Da laufen sich die Kinder doch nicht über den Haufen.“ Ihr sei es immer nur um das Wohl der Kinder gegangen und sie habe gemeinsam mit den Eltern nur versucht, eine Lösung zu finden, damit diese arbeiten gehen können und der Nachwuchs gleichzeitig betreut wird. Eine normale Kita leistet das nicht. Darum hat auch Thomas May seinen Sohn nachmittags, wenn die Kita schließt, von Brigitte Christ abholen lassen. Der sechsjährige Julien besucht bis 17 Uhr die Kita Sonnenschein in Döbeln. „Ich arbeite aber bis 19 Uhr“, erklärt Thomas May. Und auch seine Frau ist im Handel tätig und hat regelmäßig Spätschichten. Für diese Woche konnte Jacqueline May mit Kollegen Schichten tauschen, so dass sie auf Julien aufpassen kann. „Aber Freitag wird der erste Tag sein, wo wir keine Betreuung haben“, so May. Wie ihm geraten wurde, habe er sich mit Birgit Hummitzsch von der Stadtverwaltung in Döbeln in Verbindung gesetzt. „Sie sagte mir, dass sie auch keine Lösung für unser Problem habe.“
Für zwei Kinder konnte die Stadt Döbeln kurzfristig einen Kitaplatz organisieren. Für ein weiteres Kind prüft die Kita St. Florian die Unterbringung, teilte Stadtsprecher Thomas Mettcher mit. Drei weitere Kinder würden ohnehin bereits in Kitas in Döbeln betreut. Während der regulären Öffnungszeiten sei das kein Problem. „Uns ist nur der Anspruch von vier Kindern auf Überbetreuungszeit nach 17 Uhr bekannt. Von der Stadt wird befürwortet, dass diese Zeiten durch private Betreuung abgedeckt wird“, so Mettcher. Umfragen in allen Döbelner Kitas hätten ergeben, dass kein Bedarf besteht, der die Öffnung einer Einrichtung nach 17 Uhr rechtfertigt.
Thomas May sieht das anders. Gelegentlich müssen er und seine Frau auch sonnabends oder an den verkaufsoffenen Sonntagen arbeiten. „Da öffnet kein Kindergarten“, sagt May. Er verstehe nicht, warum ein perfekt funktionierendes System zerstört wird. „Ich kenne keinen, der mit Brigitte Christ unzufrieden ist. Für die Kinder ist sie wie die dritte Oma gewesen. Sie hat alles perfekt organisiert. Die Frau schafft das, was der Staat nicht kann.“ Schon die zwölfjährige Tochter wurde von Brigitte Christ betreut. „Wir waren die ganzen Jahre mit ihr mehr als zufrieden. Sie ist immer unser rettender Engel gewesen, wenn es beruflich notwendig war.“ Eine private Betreuung durch Freunde oder Familie ginge nur gelegentlich. „Das funktioniert kurzfristig, ist aber kein Dauerzustand. Ich will mein Kind auch nicht nach Feierabend um 19.30 Uhr im Altkreis zusammensuchen. Das ist nicht Sinn und Zweck.“
Keine akute Gefährdung
Einen Kitaplatz hat Peggy Berger für ihre zweijährige Tochter angeboten bekommen. „Ob sie das verkraftet, in eine völlig fremden Umgebung mit fremden Kindern von einem Tag auf den anderen hineingeworfen zu werden, werde ich noch herausfinden müssen“, sagt Peggy Berger. Aus ihrer Sicht sei es nicht notwendig gewesen, Brigitte Christ sofort die Pflegeerlaubnis zu entziehen. Eine akute Kindeswohlgefährdung habe es nicht gegeben. Berger fragt sich, warum es nicht wenigstens eine Übergangszeit gab. Die zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamtes hätten die Eltern einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Man habe als Aufsichtsbehörde Verantwortung und keine Alternative gesehen, weil ein Ermessensspielraum nicht zulässig sei, heißt es aus dem Landratsamt. „Trotz wiederkehrender Beratung und Hinweise auf die einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen hat Frau Christ die Betreuungssituation nicht verändert“, so Pressesprecher André Kaiser. Man habe mit der Tagesmutter das Problem im Januar und Februar ausführlich thematisiert. Auch über die Rechtsfolgen sei Brigitte Christ hingewiesen worden. „Der Gesetzgeber hat für Sachsen ausdrücklich ausgeschlossen, dass Kindertagespflegepersonen mehr als fünf fremde Kinder gleichzeitig betreuen.“ Weiterhin erlaubt sei Brigitte Christ die Kinderbetreuung im Haushalt der Eltern oder wöchentlich 15 Stunden in ihrer Tagespflegestelle.
Thomas May will das nicht einfach so hinnehmen und hat schon Briefe an Lokalpolitiker verfasst. Und auch Peggy Berger kündigt weitere Schritte an. „Aus unserer Sicht ist dieser Schritt vom Jugendamt völlig überzogen. Die einfache Tatsache, dass sie ein Kind mehr betreut hat, darf kein Grund für ein Berufsverbot sein.“