SZ +
Merken

Fast zwei Jahre im Gefängnis wegen eines Flugblattes

Uta Franke ist eine ehemalige politische Gefangene. Als Zeitzeugin ist sie zu Gast am Martin-Luther-Gymnasium.

Teilen
Folgen

Von Sylvia Mende

Zwei Jahre und vier Monate Gefängnis wegen staatsfeindlicher Hetze. So lautete das Urteil für Uta Franke. Dabei hatte die damals 24-Jährige Leipzigern nur an politischen Diskussionsrunden teilgenommen, sie mitorganisiert und ein Flugblatt gedruckt, das niemals erschienen ist.

Die Schilderungen von Uta Franke beeindruckten die Zehntklässler des Martin-Luther-Gymnasiums, machten sie nachdenklich und neugierig. Dabei erzählte die Referentin der Gauck-Behörde und der Landeszentrale für politische Bildung nur, was sie in der Zeit von 1976 bis zum Freikauf durch die BRD im August 1981 erlebte.

„Wir waren ganz normale junge Leute, hörten Musik, feierten Feten und trampten dorthin, wo wir hin durften. Und wir haben über politische und gesellschaftliche Verhältnisse diskutiert“, so Uta Franke. Die Gruppe, die sich zusammenfand, sei nicht gegen den Sozialismus gewesen. Sie war aber nicht damit einverstanden, wie er umgesetzt wurde. Deshalb wollte sie öffentlich ihre Meinung äußern. „Wir haben es probiert, sind dabei aber an unsere Grenzen gestoßen“, so Uta Franke, die in den Stasi-Akten als Bettina geführt wird. Sie habe gewusst, dass sie sich mit ihren Diskussionsrunden am Rande der Legalität bewegt habe. Deshalb sei Vorsicht geboten gewesen, so Uta Franke.

Bis sie direkt vor der Tür des Duden-Verlagshauses von der Stasi abgeholt worden ist, hatte Uta Franke keine Ahnung, dass sie im Fokus der Stasi war. Deshalb sei die Inhaftierung für sie plötzlich gekommen. Es habe vorher keine Anzeichen gegeben, sagte die heute in Berlin lebende Zeitzeugin.

Wie vorsichtig sie war, wird bei der Erzählung über die Beschaffung der Druckbuchstaben für das Flugblatt deutlich: „Es gab zu dieser Zeit keinen Kopierer, keine Druckerei, die ein Flugblatt vervielfältigt hätte. Deshalb haben wir Buchstabenstempel für Kinder besorgt. Damit nicht auffällt, dass jemand so viele Stempel kauft, habe ich sie bei einem Betriebsausflug in Berlin erworben und erzählt, dass sie für einen Kindergarten seien. Ich war damals aufgeregt. Ich wusste, wenn ich die Buchstaben für die Herstellung eines Flugblattes kaufe, mache ich etwas Verbotenes.“ Das Blatt mit einer Auflage von 1 200 Stück ist niemals erschienen. Zehn Leute der Gruppe wurden festgenommen. Am schlimmsten sei die zehnmonatige Untersuchungshaft in Leipzig gewesen, so Uta Franke. „Ich musste alle privaten Dinge abgeben. Hinter mir schnappte ein großes Gitter zu. Ich wurde in einer Zelle eingeschlossen und wusste, ich werde hier nicht gleich wieder rauskommen.“ In ihrem 2008 erschienen Buch „Sand im Getriebe“, schildert Uta Franke ihre Erlebnisse in der Zeit von 1976 bis 1983.