Von Peter Salzmann
Glas macht die Farben brillanter“, schwört Harry Lothar Zieger und präsentiert mit ausschweifenden Armbewegungen seine Hinterglasmalerei. Die gleichnamige Galerie im Klosterhof 3 in Pirna ist wahrlich sehenswert, ungewöhnlich allemal. Viele von Ziegers Bildern sind abstrakt gehalten und deuten philosophische Gedankengänge an, die sich ausbreiten, wenn der Meister seine faszinierenden Farbkompositionen „Der Nachfolger“, „Mannequin“, „Das 5. Rad“, „Das Goldboot“ oder „Der Spieler“ erklärt. Dazu gesellen sich auch Malereien ohne Titel, „denn der Betrachter soll sich selbst Gedanken machen“, empfiehlt der Künstler. Zieger unterhält im alten Gesindedorf Herbergen bei Liebstadt ein Atelier. Einen ehemaligen Kuhstall hat sich der gelernte Maurer, Bergmann, Kraftfahrer, Schriftenmaler und Sportlehrer zur Werkstatt umgebaut.
Die Hinterglasmalerei verlangt einen guten Blick, denn sie geschieht seitenverkehrt. „Mit kalten Farben male er“, erklärt Zieger und nennt Acryl, Aquarell und Vermischungen. „Alles, was auf Glas haftet und sich untereinander verträgt.“ Der 65-jährige Maler und Kunsthandwerker lässt sich bei seiner Kunst fortwährend überraschen. „Abstrakte Malerei produziert Zufallsbilder, die nicht korrigiert werden können.“ Lediglich mit einem Diamanten sei es möglich, noch nachträglich Konturen und Gravuren in die farbige Komposition einzufügen. „Deshalb“, so bekennt Zieger, „interessiert mich weniger das Thema, sondern vielmehr das Farbspiel mit seinen oft unberechenbaren Verläufen.“
Bei Zieglers Technik handelt es sich um Schichtenmalerei. Der Künstler fängt dünn an und setzt mehrere Farben dahinter. Doch Harry Lothar Zieger kann nicht nur abstrakt. Sein „Malabend“ – dem berühmten Leonardo-da-Vinci-Gemälde „Abendmahl“ entlehnt – gelang ihm meisterhaft und lässt Schlüsse auf sein Seelenleben zu: 13 Personen sitzen an einem langen rustikalen Tisch, zwei attraktive Damen – eine mit blattvergoldetem Fächer, die andere splitternackt – ziehen die Blicke auf sich. 123 mal 92 Zentimeter misst das gekonnte Werk, das ein acht Zentimeter dickes Glas erforderte. Chinesische Schriftzeichen und eine Zahlenreihe sind „eine verschlüsselte Botschaft“, bleibt Zieger geheimnisvoll. Er hat den „Malabend“ mit seinem Fingerabdruck und seinen Namensversalien versehen. Deutlich sein Credo auf grober Holzdecke über den Köpfen zu lesen: „Ich male für das ganze Leben“. Und Harry Lothar Zieger hat großen Künstlerpersönlichkeiten unserer Tage auf seinem „Malabend“ Referenz erwiesen: Gerhard Richter, Neo Rauch, Picasso und Friedensreich Hundertwasser sind da in einem Freundeskreis zu sehen. Er hat ihnen gebührenden Platz eingeräumt, „weil sie Vorbilder sind“.
Noch einer, der Pirna malt
Beinahe ehrfurchtsvoll zeigt Zieger sein „liebstes Hinterglasbild“, dem er 1999 das Canalettogemälde „Markt in Pirna“ – 1753 vom berühmten Vedutenmaler geschaffen – zugrunde gelegt hat. „Das ist unverkäuflich“, behauptet Zieger mit markanter Stimme und zeigt auf den unteren linken Bildrand: Im feinen dunklen Samtgewand hat Zieger Canaletto als venezianischen Edelmann in das berühmte Motiv gesetzt. Für die Maße 102 mal 77 Zentimeter musste eine Vorzeichnung seitenverkehrt mit Tusche aufgetragen werden. „Je größer die Glasscheibe ist, desto schwieriger ist die Malerei, weil die Vibration zu beachten ist.“
Harry Lothar Zieger, der einst autodidaktisch als Öl- und Porzellanmaler begann, hat sich längst deutschlandweit einen Namen gemacht. Die Teilnahme am internationalen Weru-Glaspreis in Rudersberg, an den weltweit bekannten „Glastagen in Zwiesel“ – zu denen 80 Künstler eingeladen werden – ,an Ausstellungen zur Kunstmesse in Merseburg, zu „Licht und Glas“ im Barockschloss Rammenau, in der Glasgalerie Hermann im Bayerischen Wald sind nur einige Referenzen.
Die Hinterglasmalerei ist seit der Spätantike bekannt. Bereits seit dem 16. Jahrhundert ist dieses Kunsthandwerk – auch Amelieren genannt – in Dresden betrieben worden, stets verknüpft mit dem Sächsischen Hof.
Galerie Zieger, Klosterhof 3, Donnerstag bis Montag 10 bis 18 Uhr; Dienstag und Mittwoch geschlossen