Von Denni Klein
Dresdens Erster Bürgermeister Dirk Hilbert trägt gestern als Sitzungsleiter im Stadtrat die blau-gelb-gestreifte Krawatte. Eine seiner ersten Amtshandlungen als Vertreter der Oberbürgermeisterin trägt ebenfalls die Parteifarben der FDP: Er lässt den Eilantrag von SPD, Linken, Grünen und Bürgerfraktion zur sofortigen Sanierung der Albertbrücke nach bisherigem Plan nicht zu. Für Hilbert ist die Entscheidung eine Gewissensfrage: pro Partei oder pro Dresden? Hilbert bezieht klar Position.
Die Albertbrücke muss saniert werden, und zwar dringend. Es gibt massive Risse, Steine drohen abzustürzen. Die Oberbürgermeisterin Helma Orosz informiert die Stadtratsfraktionen, dass sowohl die Vollsperrung der Brücke für den gesamten Verkehr als auch der Elbe als Bundeswasserstraße für die Schifffahrt drohen. Deutlicher kann der Handlungsbedarf nicht formuliert werden. Im September 2013 soll es losgehen, bereits mit einem Jahr Verzögerung, die die Bummelei beim Bau der Waldschlößchenbrücke verursacht hat. Klar ist aber: Die Albertbrücke wird erst gebaut, wenn die zusätzliche Elbquerung in unmittelbarer Nachbarschaft für den Verkehr freigegeben worden ist, denn dann gibt es eine komfortable Ausweichstrecke für Autofahrer. Für Radfahrer und Fußgänger gibt es längst eine Behelfsbrücke neben der Albertbrücke. Nur die Straßenbahn kann nicht einfach ausweichen, weil die Brücken mit Gleisen die Linien 6 und 13 nur mit enormen Umwegen wieder auf ihre Strecken führen und die Waldschlößchenbrücke erst gar nicht straßenbahntauglich gebaut wurde.
Deshalb soll während der 20-monatigen Bauzeit der Albertbrücke zumindest die Straßenbahn weiterfahren können. Um schnellstmöglich fertig zu werden und auch die Kosten nicht ausufern zu lassen, haben Verkehrs- und Bauplaner alle Abläufe optimiert. Um beide Ziele zu erreichen, ist deshalb vorgesehen, neun von zwanzig Monaten die Brücke ganz für Autos zu sperren. Eine zumutbare Lösung, die auch von den Aufsichtsbehörden des Landes nicht beanstandet wurde.
Doch im Herbst 2011 startet die FDP eine Kampagne dagegen. Als „Anwalt der Autofahrer“ stellt sie sich dabei hin und führt einen Kampf gegen diese neunmonatige Sperrung, weil der Umweg über eine der Nachbarbrücken Autofahrern unzumutbar sei. Ihr Antrag auf Stadtebene scheitert in allen bisherigen Instanzen der Kommunalpolitik mit satten Mehrheiten. Der Grund: Er ist verantwortungslos. Die Begründung listet die Oberbürgermeisterin in einem umfangreichen Schreiben auf.
So nimmt die FDP billigend in Kauf, dass die komplizierte Sanierung komplett umgeplant werden muss. Das allein kostet eine halbe Million Euro mehr und würde den Baustart mindestens ein Jahr verzögern. Die Sperrung von Brücke und Elbe für den Verkehr ist nicht ausgeschlossen, was auch die Dampfschifffahrt treffen würde. Experten in Stadtverwaltung und Verkehrsministerium warnen außerdem davor, dass die Umplanungen so erheblich sind, dass das Projekt neu geprüft und genehmigt werden müsste. Das würde den Baustart noch einmal um ein Jahr verzögern. Der Bau selbst dauert dem OB-Schreiben zufolge ein dreiviertel Jahr länger und verursacht zusätzliche Kosten von mehr als drei Millionen Euro. Selbst das ist für die FDP kein Problem, ausgerechnet die Partei, die bisher bei jedem Projekt auf den sorgsamen Umgang mit Steuergeld gepocht und regelmäßig, zumindest bei ihr unliebsamen Projekten, Verschwendung angeprangert hat. Doch hier bringt Holger Zastrow, Stadtrat und Landtagsabgeordneter zugleich, eine Neuinterpretation vor. Die Brücke für Autos offen zu halten, „ist zwar die insgesamt teuerste Bauvariante, aber für die Stadt aufgrund von Fördermitteln die finanziell günstigste“. Plötzlich kann Steuergeld vom Land offenbar verschwendet werden. Ist es schlechteres Steuergeld? Ein Interview dazu verweigert Herr Zastrow seit zehn Tagen.
Eine Grenze überschreitet die FDP aber mit der unlauteren Einmischung des Landes in die Entscheidungen der Stadt. So stellt der FDP-Verkehrsminister Sven Morlok 90 statt 75 Prozent Fördermittel in Aussicht. Das entbehrt nach SZ-Informationen aus seinem Ministerium jeder rechtlichen Grundlage. So sollen etwa provisorische Gleisverlegungen vom Ministerium plötzlich voll bezahlt werden, obwohl maximal zehn Prozent Zuschuss erlaubt sind. Nur eines von vielen fragwürdigen Angeboten aus dem FDP-Haus. Das Land hat nach geltendem Recht Fördergeld zu vergeben und nicht Wahlkampfgetöse der um Wiederwahl bangenden FDP zu finanzieren. Rathaus und Stadtrat dürfen sich nicht vom Land entmachten lassen. Ist die Entscheidungshoheit einmal verloren, ist sie nicht zurückzugewinnen. Es geht um die Verantwortung für Dresden, für Steuergeld der Dresdner, ganz gleich, von wem es ausgegeben wird, und für die Stadt, denn auch die weiteren Brückensanierungen verschieben sich um Jahre. Es geht darum, Schaden von der Stadt abzuwenden. Dresden ist nicht blau-gelb.