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Fernunterricht als Chance in der Krise

An der Musikschule Bischof in Hoyerswerda wird derzeit mithilfe von Telekommunikation aus sicherer Entfernung unterrichtet.

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So sieht es aus, wenn Andre Bischof von zu Hause aus Kontakt zu seinen Schülern aufnimmt.
So sieht es aus, wenn Andre Bischof von zu Hause aus Kontakt zu seinen Schülern aufnimmt. © Foto: privat

Von Juliane Mietzsch

Hoyerswerda.  In Krisenzeiten müssen neue Wege gegangen werden, wie zuletzt an vielen Stellen des täglichen Lebens deutlich wurde. Kreative Auswege sind gefragt. Weil es meist nicht weniger als um Existenzen geht. Auch Andre Bischof hat trotz aller Widrigkeiten eine Alternative gefunden. Sonst gehen täglich viele Schüler, Kinder und Erwachsene, in seiner Musikschule ein und aus. Doch seit ein paar Wochen ist das Haus kaum noch belebt. Lediglich ein Lehrer kommt zum Unterrichten her, weil hier die technischen Möglichkeiten gegeben sind. Alle anderen sind gut aufgestellt und können von zu Hause arbeiten. Fernunterricht nennt Andre Bischof das Konzept, das er gegenwärtig mit seinen Kollegen betreibt. Die Musik- und Kunstschule Bischof bildet in vielen Bereichen aus. Besonders der Instrumentalunterricht ist breit aufgestellt: von Klavier und Gitarre über Blockflöte bis hin zu Akkordeon und Percussion ist fast alles im Angebot. Daneben gibt es unter anderem die Sparten Gesang, Schauspiel und Modern Music. Und für die Jüngsten wird frühkindliche musikalische Bildung angeboten.

Alle ziehen mit

Um diese Vielfalt abzudecken, sind 9 Lehrer angestellt. Die meisten sind Freiberufler. „Freelancer haben es gerade besonders schwer“, weiß Andre Bischof die Situation einzuschätzen. Daher ist er noch so froh, dass trotzdem Unterricht stattfinden kann, wenn auch anders als gewohnt. Bereits Ende März hat er sich dazu entschieden, Fernunterricht mit den Schülern abzuhalten. Die Kollegen ziehen mit. Anfangs haben sich die Lehrer aus ihren gewohnten Unterrichtsräumen an ihre Schüler gewandt. Mittlerweile arbeitet der Großteil jedoch von zu Hause, damit unnötiger Kontakt vermieden wird. Doch eine Konstante bleibt: die Unterrichtszeit. Andre Bischof findet es wichtig, dass einerseits diese Struktur im gerade so unscharfen Alltag erhalten bleibt, und andererseits sei der direkte Kontakt zu den Schülern, meist Kinder, ein wichtiges Zeichen. Denn so bleibt die Verbindung bestehen und der Austausch wird gefördert. Natürlich wird auch die Arbeit am Instrument vorangetrieben bzw. der Fortschritt nicht eingebüßt.

Lediglich ein paar ältere Schüler im Erwachsenenalter haben diese Art des Unterrichts ausgeschlagen, was meist mit den technischen Gegebenheiten zusammenhängt. Doch der Großteil hat diese Idee begrüßt und positiv angenommen. „Die Kinder und Jugendlichen sind einfach etwas affiner im Umgang mit Medien.“ Diesen Vorteil sieht Andre Bischof in der gegenwärtigen Situation und auch die Eltern sind eine große Hilfe, wenn sie mitziehen und die Kinder unterstützen. „Die Kinder sind stark motiviert“, zieht Andre Bischof ein erstes Fazit aus den letzten Tagen und Wochen mit diesem zwangsläufig neuen Konzept. Auch die anderen Lehrer der Musikschule zeigen ein großes Engagement und versuchen alles, um diese Situation bestmöglich zu nutzen. Denn Fernunterricht zu organisieren und abzuhalten stellt alle vor ganz neue Herausforderungen – Lehrer und Schüler nebst Eltern. Doch physischer Unterricht lässt sich in keinem Fall ersetzen, ist Andre Bischof überzeugt. „Es ist alles nicht so einfach, aber wir sollten die Gunst der Stunde nutzen.“

Zurzeit ist Andre Bischof neben dem Unterricht sogar mehr beschäftigt als sonst. Zum einen aufgrund des organisatorischen Aufwandes, um alles zu koordinieren und außerdem ist er, wie die anderen Lehrer, jetzt noch häufiger für die Schüler erreichbar. Feedback gibt er immer gerne, aber „ich muss auch darauf achten, dass alle Zeiten genau eingehalten werden“. Beispielsweise Gesangs- und Schlagzeugunterricht lässt sich nach den jüngsten Erfahrungen etwas schwer über das Telefon praktizieren. Aber über die Musikstücke und Techniken sprechen ist hingegen gut möglich. Und als Ergänzung können Schüler und Lehrer Videos verschicken. Oder die Stunde findet als Videoanruf statt. Doch ganz egal, wie sich Lehrer und Schüler organisieren, es wird immer darauf geachtet, dass sich alle damit wohlfühlen, denn nicht jeder ist gerne vor einer Kamera präsent. Für jeden wird die richtige Lösung gefunden, verspricht Andre Bischof.

Die Zeit überbrücken

Nicht nur der Unterricht in der Musikschule ist derzeit anders organisiert. Auch alle geplanten Veranstaltungen finden entweder gar nicht statt oder in einer anderen Form. Beispielsweise wurden für das Konzert im Rahmen der Musikfesttage nun Videos der einzelnen Beiträge aufgenommen. So präsentieren sich bald in einem bunten Zusammenschnitt die jungen Künstler in kleinen Ensembles oder als Chor. Natürlich spielte und sang jeder aus sicherer Entfernung in seinen eigenen vier Wänden. Besonders auf das Musizieren nach Corona freut sich Andre Bischof schon jetzt.

Bis zur Öffnung der Musikschulen, die für den 18. Mai in Aussicht gestellt ist, wird weiterhin der Unterricht über das Telefon am Hörer oder Videos im Chat oder per Videotelefonie live abgehalten. Diese Chance, weiterzumachen, haben derzeit nicht alle. Andre Bischof gibt zu bedenken, dass in einer ganzen Branche nichts mehr geht. Er nennt neben der Musik noch Theater und Film. Musiker, die nicht unterrichten – nur Künstler sind – haben es derzeit deutlich schwerer. „Alle müssen sehen, wie sie klarkommen.“ Wie viel Hilfe er doch noch benötigen und erhalten wird, das wird sich zeigen. „Bestenfalls schwimmen wir an Land, anstatt das Rettungsboot zu nehmen.“

Privat nutzt Andre Bischof die freie Zeit nach wie vor zum Radfahren. Ebenfalls ist Zeit für Renovierungen im eigenen Haus, die schon geplant waren. Als Helfer im Alltag wird er gerade nicht benötigt, denn die Schwiegereltern kaufen nach wie vor alleine ein. „Natürlich haben wir ihnen Hilfe angeboten, aber sie möchten selbst rausgehen.“ Er kann es verstehen. „Wer kann, der möchte auch jetzt am gesellschaftlichen Leben teilhaben.“ Diese Generationen haben, seiner Meinung nach, schon ganz andere Zeiten erlebt. „Aber wir können nun erleben, wie sich ein Ausnahmezustand anfühlt.“ Im Ergebnis hofft er, dass sich durch diese Erfahrung vielleicht ein wenig Demut einstellt. Besonders die kleinen Dinge im Alltag kriegen jetzt eine große Bedeutung. So freut sich Andre Bischof einfach auf die Rückkehr des normalen Lebens – beruflich wie privat. Für ihn sind das neben dem Unterrichten gemütliche Abende im Kreise der Familie und Freunden: „jammen und grillen“.