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Fusseljagd auf der Festung

Beim Großputz in der Dauerausstellung auf dem Königstein geht es den lebensechten Figuren an den Kragen - mit Kamm und Lockenstab.

Von Katarina Gust
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Maskenbildnerin Lisa Büscher mit zwei ihrer lebensechten Figuren.
Maskenbildnerin Lisa Büscher mit zwei ihrer lebensechten Figuren. © Daniel Schäfer

Langsam streicht Lisa Büscher dem Soldaten übers Revers. Sie rüttelt hier, zieht da. So lange, bis die Uniform perfekt sitzt. Dann ist die Frisur dran. Es wird gekämmt, lose Locken eingelegt und alles mit Haarspray fixiert. Auch wenn es ziept, mit Gegenwehr muss Lisa Büscher nicht rechnen. Denn die Haare, die sie in Form bringt, sind zwar echt. Der Soldat, dem sie gehören, ist es nicht. Es ist nur eine lebensechte Figur, die zur Dauerausstellung "In lapide regis - Auf dem Stein des Königs" auf der Festung Königstein gehört. 

Den Figuren geht es aktuell an den Kragen. Der Grund ist der jährliche Großputz. Noch bis Anfang Februar werden die insgesamt 33 Räume des Torhauses und der Streichwehr, in denen rund 500 Exponate stehen, grundgereinigt und überprüft. Auch die Vitrinen selbst werden gesäubert, Fußböden gepflegt und Inhalte der multimedialen Schau aktualisiert.

Lisa Büscher ist als Spezialeffekt-Maskenbildnerin allein für die Reinigung der neun lebensechten Figuren zuständig, die in der Ausstellung zu sehen sind. Zwei von ihnen gehören zur Schau über die Festung als Staatsgefängnis. In einer nachempfundenen Wachstube aus dem 18. Jahrhundert sitzen sich die zwei sächsischen Soldaten gegenüber. Die Uniformen hat Lisa Büscher bereits entfusselt und entstaubt. Für den nächsten Schritt braucht sie selbst gebautes Werkzeug. Dazu gehören kleine Metallstifte, die die Berlinerin in einem mobilen Ofen erhitzt. Mit dem heißen Modellierstab gibt sie den Wimpern der Soldaten neuen Schwung. Auch die Augenbrauen werden so wieder in Form gebracht. "Bei einem Soldaten hatte sich aus der Perücke eine Locke gelöst. Die habe ich neu aufgerollt und fixiert", erzählt Lisa Büscher. UV-Licht und Feuchtigkeit, das seien die größten Feinde der lebensechten Figuren. Gerade für die Haare.

Lisa Büscher weiß, wovon sie spricht. Denn sie hat die zwei Soldaten in ihrem Figurenbau-Atelier "lifelike" in Berlin angefertigt. "Hyperrealistische Porträts" nennt das die Künstlerin. Bis zu drei Monate dauert es, bin eine einzige Figur fertig ist. Dafür nimmt sie meist Silikon- und Gipsabdrücke von lebenden Person. Gibt es keine Vorlage, muss aus Ton per Hand ein Modell erstellt werden. Wie ein Puzzle werden die Gipsabdrücke der Körperteile später zusammengefügt. Die meiste Zeit braucht Lisa Büscher für den Kopf. Jede Falte, jeder Gesichtszug müssen sitzen. „Augen und andere Teile des Gesichts müssen asymmetrisch sein, um realistisch zu wirken“, sagt sie. Allein das Modellieren von Poren und Falten dauert mehrere Tage. Am Ende überzieht Büscher die Skulptur mit einer Haut aus Silikon, die sie bemalt und behaart. Bis zu sieben Figuren stellt die Berlinerin jedes Jahr her.

Staub- und fusselfrei: Zwei Soldatenhüte und ein Schlüsselbund in der Dauerausstellung auf der Festung Königstein.
Staub- und fusselfrei: Zwei Soldatenhüte und ein Schlüsselbund in der Dauerausstellung auf der Festung Königstein. © Daniel Schäfer

Figuren aus ihrem Atelier stehen nicht nur auf der Festung Königstein. Europaweit ist die Berlinerin tätig. Ob Soldaten aus dem 18. Jahrhundert oder ein Neandertaler aus der Steinzeit, auf eine besondere Epoche hat sich Lisa Büscher nicht spezialisiert. Eine ihrer bisher größten Herausforderungen war die Nachbildung eines Bigfoot, eines überdimensionalen Fabelwesens. "Genau diese Abwechslung macht meine Arbeit so spannend", sagt sie und greift zur Fusselrolle.

Wegen der Grundreinigung ist die Dauerausstellung "In lapide regis - Auf dem Stein des Königs" noch bis einschließlich 2. Februar geschlossen. Erwachsene zahlen derzeit nur sieben Euro Eintritt für die Festung Königstein. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre haben freien Eintritt. Ab 3. Februar gelten wieder die regulären Wintereintrittspreise von zehn bzw. ermäßigt sieben Euro. In der Wintersaison bis zum 31. März ist die Festung täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

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