Findet man in Görlitz noch einen Job?

Martin Schröter hat sich gerade selbstständig gemacht. Die Pläne für seine Tischlerei hatte der Niesky-Rückkehrer aus Südamerika schon, da war Corona noch ein Fremdwort. Trotz der Pandemie hielt er an seinen Plänen fest und startete mutig in die Selbstständigkeit.
Diesen Weg können und wollen nicht viele in der Oberlausitz gehen. So finden sich Tausende derzeit in Kurzarbeit zu Hause, durchaus in Sorge, ob sie auf ihre Stelle zurückkehren können. Vielen Firmen brachen Aufträge weg. Gaststätten blieben zu, Friseure und Geschäfte auch für lange Zeit. Viele Chefs wissen nicht genau, wie es für sie weitergeht. Wer jetzt auf Jobsuche geht, hat schlechtere Karten als noch vor vier Monaten. Wo findet man also in der Corona-Krise noch Jobs?
Weniger offene Stellen bei der Arbeitsagentur
Ein Ansprechpartner ist die Arbeitsagentur. Dort werden aber wegen der eingebrochenen Auftragslage zunehmend weniger freie Stellen gemeldet. Waren es in Görlitz im Februar noch 952 neu gemeldete offene Stellen, sank die Zahl im März auf 857, um im April auf 530 zu fallen. Aber immerhin zählte die Arbeitsagentur im März für den Landkreis Görlitz 1.401 Arbeitsstellen zur Vermittlung. Im April waren das nur 53 weniger.
Zugleich stieg die Zahl der Arbeitslosen um 381 auf mehr als 10.300. Allerdings sei die große Zahl der angemeldeten Kurzarbeit ein Indiz dafür, dass die Firmen die Mitarbeiter halten und bei besserer Auftragslage weiter beschäftigen wollen, erklärt Klaus-Peter Hansen, Leiter der Arbeitsagentur Sachsen. Neueinstellungen plant eine Firma in Kurzarbeit daher wohl nicht.
Weiterhin Fachkräftebedarf
Die Frage, wo man jetzt im Landkreis Görlitz einen Job finden kann, sei schwierig zu beantworten, sagt Frank Großmann. Der Leiter der Geschäftsstelle Görlitz der Industrie- und Handelskammer (IHK) weiß, dass auch in der Krise etliche Firmen im Kreis Personal suchen, darunter Unternehmen in der Medizintechnik. Für hoch spezialisierte Tätigkeiten sei es sogar schwierig, geeignete Bewerber zu finden.
Dana Kostroa, Sprecherin der Bautzener Arbeitsagentur, sieht das ähnlich. "Der Bedarf an Fachkräften ist in der Oberlausitz weiterhin vorhanden." Nachfrage bestehe insbesondere in den Branchen Pflege und Gesundheit, Verkehr und Logistik, im gewerblichen Bereich sowie im Bauhaupt- und -nebengewerk, sagt sie.
Das drückt sie in Zahlen aus: Die meisten freien Stellen verzeichnet die Arbeitsagentur für die Oberlausitz in der Zeitarbeit (1.423), im verarbeitenden Gewerbe (620) und im Gesundheits- und Sozialwesen (439).
Das Internet muss helfen
Wer sich den Gang zur Arbeitsagentur sparen möchte, findet Stellenangebote von zu Hause aus im Internet. Eine ganze Reihe von Jobportalen bietet Menschen in der Region Görlitz eine Chance. Allein bei sächsische.de sind derzeit für Görlitz 181 Stellenangebote zu finden, darunter etliche für Steuerfachleute.
Die Jobsuche im Internet ist für viele Menschen mittlerweile selbstverständlich. Selbst die Bewerbung läuft auf elektronischem Wege ab. Das spart Zeit und Kosten - sowohl für die Bewerber als auch für Personalchefs in Unternehmen. Diese setzen zunehmend auf Stellenangebote in sozialen Medien, weil sie dort gute Reichweiten erzielen und viele Nutzer ansprechen können. Das sei gut für Arbeitsuchende, die lokal oder regional eine Jobperspektive vor allem im Handwerk und im Mittelstand suchen, bestätigt Verena Simon, Marketingchefin bei der GermanPersonnel e-search GmbH, ein Partner von Facebook-Jobs, der mittlerweile viel Erfahrung mit der Stellenvermittlung über dieses Medium hat.
Karrierestart im Handwerk
Wie groß die Chancen sind, im Handwerk eine Arbeitsstelle zu finden, weiß Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden. Handwerker haben gut zu tun, ihre Auftragsbücher sind oft sogar prall gefüllt. Freie Stellen können nicht immer gleich, manchmal erst verspätet oder gar nicht, besetzt werden. Deshalb setzt das Handwerk verstärkt auf die Ausbildung des eigenen Berufsnachwuchses, auch in einem aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfeld.
Görlitz plant digitale Rückkehrerbörse
Auf neue, vor allem digitale, Formate setzt die Europastadt Görlitz-Zgorzelec GmbH (EGZ). Die städtische Wirtschaftsförderung bereitet derzeit eine Rückkehrerbörse - ursprünglich während des Görlitzer Altstadtfestes geplant - als Videokonferenz vor. Andere Veranstaltungen werden verschoben, darunter die Karriere-Messe, berichtet EGZ-Chefin Andrea F. Behr.
Wer aber noch bis zum Herbst warten kann, der findet vielleicht bei der sogenannten "Spätschicht" seine Traumstelle. Dabei stellen sich Unternehmen potenziellen neuen Mitarbeitern vor. Zweimal fand diese Veranstaltung, die zuerst in Zittau entwickelt wurde, bereits in Görlitz statt. Mit Erfolg. Am 6. November soll sie wieder stattfinden. Bis dahin hat vielleicht auch die Wirtschaft wieder Fuß gefasst. Die Nachrichten vom Nieskyer Waggonbau und dem Stahlbau-Nachfolger stimmen optimistisch.