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Firma Halang baut wieder Drehmaschinen

115 Jahre nach Gründung des Betriebs und 23 Jahre nach Ende der Produktion sind die ersten neuen Anlagen fertig geworden – obwohl es noch keine Käufer gibt.

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Von Thomas Mielke

Fast zärtlich streicht Steffen Halangs Hand über die nigelnagelneue Mechanikerdrehmaschine DML 500x200. Stolz klingt durch, wenn der Maschinenbau-Meister über den Eigenbau sagt: „Mit dieser Maschine können Sie ganz genau und präzise drehen.“ Sie und zwei Schwesteranlagen sind in der vergangenen Woche fertig geworden – als erste nach 23 Jahren Pause.

Seit 1898 hat die Firma an der Edmund-Kretschmer-Straße solche Drehmaschinen gefertigt. Tausende. Sie wurden für verschiedene Bereiche eingesetzt, zum Beispiel für die Medizintechnik. Die Zittauer genossen einen exzellenten Ruf.

Steffen Halangs Vater ist 1954 als Lehrling eingestiegen. Bis zu 60 Maschinen haben die maximal zehn Mitarbeiter und zwei, drei Lehrlinge im Jahr gebaut. Viele sind auf den Werkstatt-LOs der Armee montiert worden, einige gingen in den Westen. 50 pro Jahr hat die Firma gegen Bezahlung abliefern müssen. Vermarktet wurden sie vom Kombinat „7. Oktober“ in Berlin. Erst ab Maschine 51 durfte der private Betrieb selber verkaufen. 1982 erwarb Halangs Vater den Betrieb. Zwei Jahre später fing der Sohnemann als Lehrling an.

Zur Wende ist mit der Produktion von Drehmaschinen quasi über Nacht Schluss gewesen. Das Berliner Kombinat und damit der Vermarkter der Zittauer wurde von der Treuhand abgewickelt. Zudem „vermittelte uns der Westen das Gefühl: Alles, was im Osten hergestellt wird, ist Schrott“, sagt der Mittelherwigsdorfer. „Die letzten zwölf Maschinen haben wir für 600 Mark an einen Händler in Hof verkauft.“ Wert gewesen wären sie das x-fache.

Damit war die über 90-jährige Maschinenbau-Tradition an der Edmund-Kretschmer-Straße gestorben. Die Firma suchte sich neue Geschäftsfelder und speckte bis auf vier Mitarbeiter ab. Dass sie nicht wie so viele andere kaputt ging, lag unter anderem daran, dass sie sich schon zu DDR-Zeiten um die Anlagen der Wassergenossenschaft Mittelherwigsdorf gekümmert hat. In diesem Bereich bekam sie im Lauf der Jahre weitere Aufträge, so unter anderem in Hartau und Dittelsdorf. Zudem spezialisierten sich die Mitarbeiter auf Installationsarbeiten und rüsteten zum Beispiel viele AWG-Wohnungen mit neuen Wannen und Toiletten-Spülkästen aus. Mit jedem weiteren Aufgabenfeld setzt sich Halang wieder auf die Schulbank. Inzwischen hat er drei Meisterabschlüsse in der Tasche.

Nach einigen Jahren zeichnete sich ab, dass die Konkurrenten im Westen offenbar doch nicht recht gehabt hatten. Zwar kamen nach der Wende nur sehr selten Anfragen nach Ersatzteilen und Zubehör oder gar ganzen Maschinen. Das aber änderte sich wie bei vielen Ost-Produkten. „In den letzten Jahren vergeht kaum eine Woche ohne Anfragen“, sagt Steffen Halang. Der 45-Jährige und seine Mitarbeiter schickten ein Ersatzteil nach dem anderen raus. Doch dann war das Lager leer. „Vor vier Jahren haben wir gemerkt: Das Zeug ist aufgebraucht“, sagt Steffen Halang, der damals gerade die Firma von seinem Vater übernommen hatte. Da die Preise für Halang-Maschinen und Teile selbst beim Internet-auktionshaus ebay stiegen und ihn der Maschinenbau immer noch reizte, fiel die Entscheidung: Wir fangen wieder an.

Drei Winter haben Halang und sein Mitarbeiter Heiko Schulz, der ebenfalls bei der Firma den Maschinenbau von der Pike auf gelernt hat, gefeilt, geschraubt und justiert. Vorbild waren die alten Maschinen. Die Männer haben sie nur ein bisschen modernisiert. Fast alle Teile stellen sie selbst her. Genügend Material und Ständer haben sie noch aus der Zeit vor 23 Jahren im Lager. „Das reicht bestimmt noch für 80 Maschinen“, sagt der Maschinenbaumeister.

Käufer für die drei neuen Halang-Drehmaschinen hat er dagegen noch nicht. Er wollte sich erst beweisen, dass er die Manufakturarbeit noch beherrscht. Käufer finden sich, ist Halang überzeugt. Schließlich hat die Firma einen guten Namen. Ein bisschen Werbung wird dafür sorgen, dass alle wissen: Halang ist zurück. Dann wird es sicher nicht nur bei den drei Maschinen bleiben. Ein angemessener Preis steht schon fest: Mindestens 6 000 Euro.