Von Udo Lemke
Nur noch einige Pfützen, manchmal ein schmales Rinnsal und zusammengesunkene Krautteppiche erinnern am Palais im Barockgarten Zabeltitz daran, dass das eigentlich die Große Röder ist. Schaut man genauer hin, sieht man einzelne auf dem Rücken liegende Fische, manche leben noch und schnappen nach Luft. Am Wehr vor der alten Mühle bietet sich ein anderes Bild: Etwa 100 Fische, die kleinsten etwa fünf Zentimeter, die größten fünfundzwanzig Zentimeter lang, liegen hier. Sie alle sind tot, nur in den Pfützen am Flussgrund bewegt sich noch etwas.


Fahrlässiges Handeln unterstellt
Die Röder sei am Gabelwehr abgesperrt worden, weil Sturmschäden beseitigt werde müssten, erzählt ein Arbeiter, der den Rasen zwischen Palais und Spiegelteich mäht. „Am Radweg hat der Sturm Bäume geknickt und die haben ein altes Rohr zerstört, das durch die Röder führt“, sagt er. Weiter aufwärts, auf der Wiese zwischen dem Fluss und der Kastanienallee, dreht sich ein blauer Bagger, eine Baustraße aus Schotter ist aufgeschüttet, auf der Wiese liegen große Baumstubben. Seine Firma sei hier im Auftrag der Landestalsperrenverwaltung (LTV) beschäftigt, sagt Bernd Schmidt, Polier bei der WeBer Bau GmbH aus Großenhain. „Wir bauen einen neuen Düker, das ist ein Rohr, das unter der Röder hindurchführt“, erklärt er. Das Rohr soll Wasser so ableiten, dass die Wiesen nicht überschwemmt werden. Außerdem müssen vier Uferabschnitte, die durch umstürzende Bäume beschädigt worden sind, repariert werden . „Die Uferdämme werden abgetragen und lehmhaltiges Material wird eingebaut.“ Da es sich um einen Unwetterschaden handelt, müsste sofort gehandelt werden, erklärt Polier Schmidt: „Das Wasser musste völlig abgesperrt werden, sonst hätten wir nicht arbeiten können.“
Genau das stellt Marco Schneider aus Zabeltitz vom Landesverband Sachsen des BUND infrage. Für die Naturschutzorganisation hat er gestern Strafanzeige gegen die Landestalsperrenverwaltung „wegen erheblicher Verstöße gegen Naturschutzrecht“ gestellt. Nach einer Besichtigung der Großen Röder zwischen der alten Mühle und der Brücke in Richtung Gabelwehr wurden etwa 150 verendete Fische gefunden. „Hierbei handelt es sich insbesondere um folgende Arten: Rotfeder, Rotauge, Döbel.“ Außerdem wurden Kleine und Große Flussmuscheln gefunden. Danach war die Röder bereits am Montag „durch vollständiges Abstauen des Kleinen Gabelwehres trocken gelegt“. Das sei für die Baumaßnahmen nicht nötig gewesen. „Daher erachten wir die Maßnahme als fahrlässiges Handeln.“
Die Strafanzeige stützt sich unter anderem auf das Sächsische Wassergesetz. Dort heißt es: „Aufgestautes Wasser darf nur so abgelassen werden, dass die ökologischen Funktionen des Gewässers nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt werden.“ Da die Bauarbeiten wohl noch länger dauern werden – Polier Schmidt gibt fünf Wochen an – müssten umgehend Maßnahmen getroffen werden, um den Einschnitt in den Naturhaushalt nicht noch weiter zu vergrößern.
Die BUND-Strafanzeige geht noch einen Schritt weiter. Gefordert wird, dass die Landestalsperrenverwaltung ein Bußgeld von mindestens 25 000 Euro zu zahlen hat und zusätzlich Fischarten wie Aal, Barsch, Döbel, Elritze, Gründling, Rotauge, Rotfeder und Schleie in der Großen Röder neu ansiedeln muss. „Hierbei sehen wir ca. 10 000 Jungfische als Ersatz für die verendeten Arten als gerechtfertigt an.“
Mindestabfluss nicht verlangt
Auf Anfrage erklärte Renate-Michaela Rothe, die Sprecherin der Landestalsperrenverwaltung: „Die LTV hat keine Absperrung veranlasst, sondern eine Umleitung des Wassers der Großen Röder über den Elligastbach. Damit soll die Durchführung einer Sofortmaßnahme zur Schadensbehebung sichergestellt werden. Für die Wiederherstellung des Dükers in offener Bauweise ist eine temporäre Umleitung unumgänglich.“
Und die Ufer müssten repariert werden, weil sonst durch Wasseraustritte aus der Röder „ein Trockenfallen der Fischteiche im Schlosspark Zabeltitz zu befürchten ist“. Auf die Frage, warum nicht wenigstens ein Mindestwasserabfluss gewährleistet wird, um Fische und Flussmuscheln zu schützen, antwortete die Sprecherin. „Über die Sofortmaßnahme wurden die untere Wasserbehörde, die unteren Naturschutzbehörde sowie der örtliche Angelverein und die Fischereibehörde informiert. Eine Forderung nach Einhaltung eines Mindestwasserabflusses wurde nicht erhoben.“
Auch habe der Anglerverein und die Fischereibehörde nicht verlangt, dass Fische aufgesammelt und umgesetzt werden sollten.
„Vorgefundene Muscheln wurden in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde abgelesen und umgesetzt.