Kamenz: Kritik an Fledermaus-Quartieren

Kamenz. Die 2. Oberschule an der Saarstraße in Kamenz ist nach der Sanierung kaum wiederzuerkennen. Aus dem DDR-Plattenbau ist ein modernes Schulgebäude geworden. Die Schüler sollen hier im Herbst wieder lernen können. Mit etwa zehnwöchiger Verspätung.
Die Untermieter - Vögel und Fledermäuse - dürfen schon jetzt einziehen. Mückenfledermäuse zum Beispiel. Sind sind pelzig, nur fünf Zentimeter groß und wenige Gramm schwer - und sorgen dennoch für Diskussionsstoff. Sie wohnten bereits vor der Sanierung in dem Plattenbau und haben jetzt neue Quartiere bekommen. 180.000 Euro lässt sich das der Landkreis Bautzen als Träger der Schule zusätzlich kosten.
Kreis: Von den Tieren geht keine Gefahr aus
Der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) hatte bereits zu Jahresbeginn die umfangreichen Nistanlagen als überzogen kritisiert. Von 400 Quartieren war die Rede. Das Landratsamt zog sich auf die Vorgaben des Naturschutzgesetzes zurück, die zu erfüllen seien.
Nun meldete sich der Oberbürgermeister und Kreisrat der Freien Wähler erneut zu Wort - mit einer Anfrage im Kreistag. Unter dem Eindruck der Corona-Krise und der Aussagen zum Ausgangspunkt der Epidemie äußerte sich der Kommunalpolitiker. Denn Fledermäuse stehen im Verdacht, Ursprung der Epidemie zu sein. So gab der OB zu bedenken, ob es nicht besser wäre, die Fluglöcher wieder zu verschließen, um „für die Kinder die denkbar größte Vorsicht walten zu lassen“.

Eine Antwort gab es im Kreistag nicht. Gegenüber Sächsische.de erklärte das Landratsamt Bautzen seine Sicht. So seien am Standort die Wochenstuben der Mücken-, Zwerg- und Breitflügelfledermaus nachgewiesen worden. Mandy Noack, Pressesprecherin der Kreisbehörde, versichert: „Von einheimischen Fledermäusen, die beispielsweise an Gebäuden leben, geht keine Gefahr für Menschen aus. Die Tiere werden zu Unrecht pauschal als Verbreiter von Viren verdächtigt.“ Sie seien nicht mit SARS-CoV-2 infiziert und könnten somit Menschen nicht mit Covid-19 anstecken.
Doch woher nimmt die Behörde die Aussagen? Auf Nachfrage heißt es: „Diese Informationen wurden aus den Fachämtern Gebäude- und Liegenschaften sowie der Unteren Naturschutzbehörde zugearbeitet.“ Von welchen Fachleuten nun genau bleibt offen. Gerade das Gesundheitsamt war offenbar nicht beteiligt. Denn: „Eine gesundheitliche Gefahr wurde ausgeschlossen“, heißt es.
Bürgermeister: Kreis muss Verantwortung übernehmen
Die Kreisbehörde merkt noch an, dass die Kinder hier im ländlichen Raum recht naturnah aufwachsen können. „Die Gefahr, im schulischen Raum mit Fledermaus-Exkrementen oder Vogelkot in Berührung zu kommen, ist nach unserer Einschätzung nicht höher als in den sonstigen Bereichen unseres Lebensumfeldes“, so Mandy Noack. Und die Schule würde regelmäßig gereinigt.
OB Dantz sagt, er wolle keinen Glaubenskrieg führen. Wenn der Kreis letztlich nicht abrücke von den Fledermaus-Quartieren, dann müsse dieser die Verantwortung für die Folgen übernehmen, falls es doch zu Komplikationen komme. Der Kreis sollte darüber nachdenken, was möglich ist. Er wolle den Tieren aber auch nicht die Lebensgrundlage entziehen.
Mit mehreren Anträgen hatte sich auch die AfD-Kreistagsfraktion mit den Gefahren beschäftigt. Sie sieht wie der OB den Umfang der Maßnahmen als überzogen an. Zum Schutz der Kinder wurde auch eine Umsiedlung der Fledermäuse angeregt. Aber auch das brachte nichts. Tatsächlich habe die Verwaltung einen Alternativstandort geprüft, heißt es vom Landkreis. Dieser habe sich letztlich als ungeeignet erwiesen.
Experte: Kein Covid-19 von sächsischen Fledermäusen
Vielleicht kann ja ein Experte die Wogen glätten? Als ein solcher gilt der Biologe und Fledermauskundler Wigbert Schorcht aus Thüringen. Er legt im Gespräch mit Sächsische.de seine Position dar und bestätigt damit als Fachmann die Auffassung des Kreises: Fledermäuse hätten viele Viren, das sei richtig. Er könne aber „nach allem, was wir wissen, garantieren, dass von sächsischen Fledermäusen keine Viren übertragen werden, die Covid-19 auslösen“. Es gehe von den Tieren keine Gefahr aus. Auch nicht über den Kot: „Das ist gut nachgewiesen“, so Schorcht.
Er verweist zugleich auf den bekannten Virologen Christian Drosten. Der habe bei Studien in der Tat Coronaviren bei hiesigen Fledermäusen nachgewiesen. Aber eben nicht jenen Typ, der die Lungenkrankheit Covid-19 auslöst. Die anderen Viren seien harmlos. Es habe zudem nie eine direkte Übertragung von der Fledermaus auf den Menschen gegeben, sondern nur über einen Zwischenwirt, zum Beispiel über Marderhunde, beruhigt der Experte in Sachen Fledermäuse.
Die seien streng geschützt, ebenso wie ihre Quartiere, stellt die Kreisbehörde klar. „Die Beseitigung ist verboten“, so Pressesprecherin Mandy Noack. Allerdings sei der Schulumbau ebenso unumgänglich gewesen. Als Kompromiss seien die neuen Fledermaus- und Nistquartiere angebracht worden.
Mit ihnen hängt letztlich auch die Bauverzögerung direkt oder indirekt zusammen. 355 Nistkästen und Quartiere befinden sich nun insgesamt am Gebäude: 115 für Mauersegler, Hausrotschwanz und Haussperling, der Rest entfällt auf Fledermaus-Quartiere, die eingebaut wurden. Nun bleibt abzuwarten, ob die Flattertiere von ihren neuen Quartieren so begeistert sind wie vor dem Umbau.
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