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Flusskapitän mit Hindernissen

Görlitz. Die Neiße ist für die Schifffahrt zugelassen. Gemeint sind damit aber vor allem kleine Boote.

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Von Ralph Schermann

Wer die Schifffahrt gern mit drei flinken „f“ schreibt, kann dies auch an der Görlitzer Neiße tun. Denn höchst offiziell ist dieser Fluss als „schiffbares Landesgewässer“ eingestuft.

Was man kaum glauben möchte, bestätigt die zuständige sächsische Landestalsperrenverwaltung. Die registriert die Neiße von Flusskilometer 178,4 (bei Ostritz) bis 74,2 (bei Köbeln) als schifffähig. Und weil auch kleine Schlauchboote schon Schiffe sind, schließt das sächsische Wassergesetz in seinem Paragraf 36 (2/3) auch noch die Neißeanteile zwischen Hartau, Zittau und Ostritz mit ein. Die Kleinbootverleiher in Hirschfelde und in Rothenburg wird das sicher freuen.

Wasserstand ist wechselhaft

Wer an der Neiße wohnt, weiß freilich, dass die Schifffahrt hier in der Realität selbst dann keine richtige ist, schriebe man sie mit vier oder fünf „f“. Wasserstände von stellenweise unter 50 cm wechseln mit Pegeln von knapp zwei Metern an entsprechenden Engstellen. Deshalb wurde hier bislang auch nur einmal ein richtiges Schiff gesichtet: Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab es in Görlitz kurzzeitig eine Dampfschifflinie zwischen Eiskellerbaude und Weinhübel mit einem rund 20 Personen fassenden Kleindampfer.

Ohnehin wäre immer nur streckenweise eine Nutzung von Wasserfahrzeugen möglich. Auch die Talsperrenverwaltung weiß das natürlich und weist darauf immer wieder in Kommentaren zum verwirrenden Gesetzestext hin. „Tatsächlich ist die Schiffbarkeit im Sinne der durchgängigen Befahrbarkeit durch Flusshindernisse wie Querbauwerke, Sohlschwellen, Sohlverbau und Wehre gar nicht gegeben“, bestätigt Andrea Wagner von der Talsperrenverwaltung.

Dennoch nimmt die Nutzung der Neiße auf deutscher Seite für den Tourismus seit Jahren zu. Neben den beiden Bootsverleihern wagen sich immer mehr private Schlauchbootbesitzer ins kühle Nass. Dem steht nichts entgegen, zumal ja auch kein richtiges Schiff entgegen kommen dürfte. Zu beachten ist allerdings, dass die Talsperrenverwaltung die Rechte an allen baulichen Anlagen besitzt. Andrea Wagner: „Das Betreten und Befahren von wasserwirtschaftlichen Anlagen, Wehren, Sohlschwellen und Rampen einschließlich der dazugehörigen Anlagenteile ist auf Grund der Unfallgefahr verboten.“ Solche Anlagen zu erkennen, dürfte jedem Paddler leicht fallen: Nach Norden am linken Neißeufer sind entsprechende Schilder oder Markierungen nicht zu übersehen.

Ungemütliche Kajüte

Überhaupt sollte man immer schön auf jener Seite wassern, auf der der Daumen rechts ist. Denn bei aller Schifffahrtserlaubnis ist die Neiße nach wie vor noch Grenzgewässer. Und nach wie vor haben es die rechts am Ufer streifenden Grenzer nicht gern, wenn man zu ihnen „Land in Sicht“ ruft. Es ist schlichtweg verboten, am polnischen Ufer anzulegen oder es überhaupt anzusteuern. Manch einer, der das nicht glaubte, hat schon einmal eine Nacht in einer ziemlich ungemütlichen Kajüte verbringen dürfen. Dass man überdies auch im kleinsten Kanu auf der Neiße seinen Ausweis dabei haben sollte, dürfte selbstverständlich sein.

Wer sich übrigens tatsächlich mal nahe Görlitz größer einschiffen möchte, dem sei zur Geduld geraten. Zwar ist auf dem entstehenden Berzdorfer See in den Plänen der Gestalter eine richtige Schifffahrtslinie vorgesehen, bisher jedoch sind weder ein Kahn noch ein ernsthaft interessierter Betreiber in Sicht. Nur den Shanty-Chor gibt es schon. Und bestimmt auch einen entsprechenden Paragrafen im sächsischen Wassergesetz.