Von Hans-Joachim Gawor
Anfang August reiste ich mit einem weiteren Hobby-Grenzsteinforscher an den Witka-Stausee bei Niedow. Ziel war die ehemalige sächsisch-preußische Grenze von 1815. Auf etwa drei Kilometer Länge verläuft diese Grenze durch den heutigen Stausee. Wir besichtigten Staumauer und Wehranlagen. Nahe des Bahnhofs Zawidow befand sich bei der Grenzziehung 1815 das Dreiländereck zwischen Böhmen (damals Kaiserreich Österreich), Königreich Preußen und Königreich Sachsen. Dort wurden die Grenzzeichen mit der Nummer 1 aufgestellt und bildeten den Anfang der sächsisch-preußischen Grenze. Bei der Wanderung entlang des Stausees konnten wir uns davon überzeugen, dass die Grenzzeichen mit den Nummern eins, zwei und drei in dem von 1958 bis 1962 errichteten Witka-Stausee unter bis zu elf Meter Wasser versunken sind.
Dann kam am 7. August der Bruch der Staumauer. Erneut machten wir uns auf den Weg. Was wir zu sehen bekamen, übertraf alle Befürchtungen. Der Staudamm ist in seiner gesamten Höhe weggespült worden. Das Flüsschen Witka läuft wie vor 50 Jahren wieder in seinem ursprünglichen Flussbett. Alte Straßen tauchten wieder auf. Eine dicke, stinkende Schlammschicht verhindert ein direktes Herankommen an das Flüsschen.
Für Hobby-Grenzsteinsucher gab es dennoch ein positives Erlebnis. Anhand alter Karten konnte zunächst der früheren Standort des Grenzsteinpaares 3 eingegrenzt werden. Schließlich gelang es uns, im Trümmerfeld das Grenzsteinpaar zu finden. An der früheren Straße über die Witka, zwischen den ehemaligen sächsischen und preußischen Teilen von Nieda fanden wir beide Zeichen. Während der sächsische Grenzstein noch aufrecht an seinem ehemaligen Standort steht, liegt der mehr als 600 kg schwere preußische Grenzstein etwa 120 m flussabwärts. Und vielleicht gibt der leere Stausee noch weitere steinerne Zeugen frei.