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Fluthelfer aus Lübeck in Not geraten

Um es vorwegzunehmen: Der Fall des Mannes von der Küste endete glimpflich. Unter Umständen wäre die heutige Verhandlung, die aus seinem Einspruch gegen den ergangenen Strafbefehl resultierte, gar nicht zu Stande gekommen.

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Von Klaus Heyde

Um es vorwegzunehmen: Der Fall des Mannes von der Küste endete glimpflich. Unter Umständen wäre die heutige Verhandlung, die aus seinem Einspruch gegen den ergangenen Strafbefehl resultierte, gar nicht zu Stande gekommen.

In der Katastrophenzeit der Jahrhundertflut 2002 hatte er in früher Morgenstunde von einer Aral-Tankstelle aus den Notruf 112 angerufen und ein Anliegen geäußert, das als Missbrauch angesehen werden musste. Dass er sich in diesen Tagen überhaupt in unserer Gegend aufhielt, war eher einem Zufall zu verdanken. Seiner Dresdener Tante hatte er lange vorher versprochen, sie am 23. August zum Geburtstag zu besuchen.

Mit den Nerven und der Kraft ziemlich am Ende

Nach 550 Kilometern Fahrt und mit reichlich Verspätung traf er am Ziel ein. Dresden stand noch voll und ganz im Banne der Flutfolgen und die Zufahrt erwies sich aus diesem Grund als problematisch. Als er gewahr wurde, wie schlimm es rings um die Landeshauptstadt aussah, erklärte sich der Arbeitslose spontan bereit, vor Ort als Fluthelfer mitzuwirken. Nach zwei Tagen, in denen er half, ein abgesoffenes Dresdener Restaurant zu beräumen, wurde er nach Pirna „abkommandiert“.

Nach einer Woche seines Einsatzes muss er so ziemlich fix und fertig gewesen sein: Die körperliche Arbeit ungewohnt, nervlich angeschlagen durch die vielen Katastrophenbilder („das hat mich arg mitgenommen“), mehr schlecht als recht ernährt, zuviel geraucht und nachts überaus unruhig geschlafen. Der sensible und wohl auch zur Hektik neigende Mann war überfordert.

Am Ende ereilte ihn ein Kreislaufkollaps. Das geschah ausgerechnet im Zeltlager, das die Bundeswehrhelfer auf dem Pirnaer Sonnenstein errichtet hatte. Hier hatte das Erscheinen des Zivilisten für einige Verwirrung gesorgt. Sein Anliegen war es, sich bei einem (Militär-)Seelsorger aussprechen zu wollen. Er verließ das besagte Lager in einem Krankenwagen.

Und zwischendurch noch dieser vermaledeite Notruf. In dem Durcheinander, in das er geraten war, war ihm das Aufladegerät seines Handys abhanden gekommen. Nachdem anderweitige Bemühungen fehlschlugen, hatte ihm angeblich irgendjemand eingeflüstert, es doch mal bei einer Rettungsleitstelle zu versuchen.

Dort rief er also an und fragte nach, ob man ihm mit einem Ladegerät aushelfen könnte!? Selbiges geschah nicht in der Karnevalszeit bzw. am 1. April, sondern am 1. September 2002, als die Telefondienstler durch reale Notrufe ohnehin gestresst waren. Für das Anliegen des Rudolf H. zeigten sie jedenfalls wenig Verständnis.

Als sich der 44-Jährige vor seiner Fahrt zur heutigen Verhandlung mit einem ihm bekannten Rechtsanwalt austauschte, schlug dieser die Hände über dem Kopf zusammen. „Um Himmels Willen, fahre dort hin, und bring das in Ruhe hinter Dich“, lautete dessen Ratschlag. Hätte er den Juristen bereits beim Verfassen seines Einspruchs zu Rate gezogen, wäre die heute vom Gericht vernommene Story sicherlich in straffer und verständlicher Form zu Papier gebracht worden.

Seine eigenen Formulierungen hatten das nämlich nicht vermocht. Das juristische Nachspiel wäre dann von vornherein anders ausgefallen. Das war auch die einhellige Meinung des Gerichts. Auf Antrag des Staatanwaltes reduzierte Richterin Ines Rosen die ursprünglich ausgesprochene Geldstrafe auf „symbolische“ 50 Euro. Das Geld wird an eine gemeinnützige Einrichtung im Kreis Pirna gehen.