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Forscher finden alten Galgen

Im Osterzgebirge wurden scharfe Urteile gefällt. Warum das Bauwerk bei Lauenstein so imposant war.

Von Franz Herz
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Mario Sempf befasst sich schon lange mit der Geschichte im Osterzgebirge. Als er Spuren des alten Galgens bei Lauenstein gefunden hatte, holte er die Spezialistin für Rechtsgeschichte und Richtstätten Marita Genesis von der Humboldt-Uni in Berlin dazu.
Mario Sempf befasst sich schon lange mit der Geschichte im Osterzgebirge. Als er Spuren des alten Galgens bei Lauenstein gefunden hatte, holte er die Spezialistin für Rechtsgeschichte und Richtstätten Marita Genesis von der Humboldt-Uni in Berlin dazu. © Egbert Kamprath

Es muss gruselig gewesen sein, wenn ein Fußgänger des Wegs kam auf dem alten Kirchweg von Liebenau nach Lauenstein. Denn dabei musste er direkt an einem Galgen vorbeigehen, der hier am Wege stand. Genau das war aber Absicht der Herren von Bünau, die früher das obere Müglitztal beherrscht haben.

Ganz bewusst haben sie den Galgen auf der Höhe errichtet, direkt am Weg und weithin sichtbar. „Ein solcher Galgen war ein klares Zeichen an alle, die vorbeikamen: Hier ist eine starke Herrschaft. Hier wird scharf geurteilt“, erklärt Alexander Kästner. Er ist Dozent für Geschichte an der TU Dresden.

Studierende vermessen die Grundmauern des Lauensteiner Galgens im Detail. Er hat eine stattliche Grundfläche eingenommen.
Studierende vermessen die Grundmauern des Lauensteiner Galgens im Detail. Er hat eine stattliche Grundfläche eingenommen. © Egbert Kamprath

Galgen waren ein Zeichen für Macht. Sie fanden sich früher auch an anderen Stellen. So sollen die Galgenteiche bei Altenberg auch nach einer solchen Gerichtsstätte benannt sein. Der Dippser Heimatforscher Eckhart Böhm berichtet von einer Hinrichtung, bei der rund 2.000 Menschen zugesehen haben, mehr als Dippoldiswalde damals Einwohner hatte.

Der Lauensteiner Galgen ist mit den Jahren in Vergessenheit geraten. Von dem Bau ist nicht mehr viel übrig. Nachdem sich die Rechtsprechung in modernen Zeiten gewandelt hat und der Galgen nicht mehr gebraucht wurde, haben Hausbauer aus der Umgebung Steine dort geholt.

Josefine Mar-Sagi und Hannah Rathschlag (hinten) von der studentischen Arbeitsgruppe dokumentieren hier die Funde an der früheren Hinrichtungsstätte.
Josefine Mar-Sagi und Hannah Rathschlag (hinten) von der studentischen Arbeitsgruppe dokumentieren hier die Funde an der früheren Hinrichtungsstätte. © Egbert Kamprath

Was noch zu finden ist, haben die Archäologin Marita Genesis und eine Gruppe von Studenten vor wenigen Tagen wieder freigelegt. Der Galgen muss ein imposantes Bauwerk gewesen sein. Ringsherum ging eine Mauer, die so hoch war, dass eine Tür ins Innere führte. Und auf dieser Mauer waren drei Balken aufgestellt, die oben mit Querbalken verbunden waren. Fachleute nennen das einen dreistempligen Galgen. Genug Platz, etliche Halunken zu hängen.

Ob es aber darauf in erster Linie ankam, ist für die Forscher noch ein Rätsel. Kästner hat mit Studenten im Sächsischen Staatsarchiv geforscht. Dort sind sie auf Dokumente gestoßen, dass 1685 die Querbalken an dem Galgen erneuert wurden. Aber sie haben kein einziges Dokument gefunden, das eine Hinrichtung an dieser Stelle beweist.

Dabei waren die Herren auch im oberen Müglitztal nicht zimperlich. Einmal ist eine Kindsmörderin in Liebenau im Teich ertränkt worden. „Säcken“ nannte man das damals. Der Name sagt schon, wie das vor sich ging. Die Frau ist in einem Sack ertränkt worden, zusammen mit einer Katze. Das war besonders unehrenhaft. Sie ist dann am Galgen begraben worden, nicht bei den ehrbaren Leuten auf dem Friedhof. Eine andere Kindsmörderin ist auf dem Markt in Lauenstein enthauptet worden. Aber die Quellenlage zur Geschichte von Lauenstein ist spärlich. Es ist also durchaus denkbar, dass auf der Höhe über der Stadt Übeltäter gehängt wurden, die Dokumente aber verloren gegangen sind.

Diese Scherben haben die Archäologen an der Richtstätte zwischen Lauenstein und Liebenau gefunden. Sie müssen jetzt näher untersucht werden.
Diese Scherben haben die Archäologen an der Richtstätte zwischen Lauenstein und Liebenau gefunden. Sie müssen jetzt näher untersucht werden. © Egbert Kamprath

Bei den Grabungsarbeiten, die eine Woche gedauert haben, war Mario Sempf mit dabei. Auf ihn geht der Fund zurück. Der Dresdner, der sich mit experimenteller Archäologie befasst, kennt die Lauensteiner Geschichte sehr gut. Vor einigen Jahren hat er eine Nacht im Angstloch auf Burg Lauenstein verbracht. Er wollte eine Ahnung davon bekommen, wie es den Eingesperrten in früheren Jahrhunderten ging.

Bei seinen Forschungen stieß er auch auf die Lauensteiner Chronik von Friedrich Böttcher, der von dem Galgen berichtet hat. Sempf hat sich dann alle denkbaren Stellen angesehen und ist an dem alten Kirchweg fündig geworden. Erst sah es wie eine zugewachsene Steinrücke aus. Aber es stellte sich heraus, dass sich darunter die Reste des Galgens befinden. Sempf setzte sich mit Marita Genesis in Verbindung. Sie ist Archäologin mit Spezialgebiet Rechtsgeschichte und Hinrichtungsstätten und lehrt an der Humboldt-Universität Berlin.

Sie organisierte zusammen mit dem Historiker Alexander Kästner, der in Dresden das gleiche Fachgebiet erforscht, eine studentische Exkursion nach Lauenstein mit Teilnehmern aus Berlin und Dresden. Eine Woche quartierten sie sich dort im Schloss ein und erforschten bei sommerlicher Hitze den alten Galgen. Sie waren dabei ganz begeistert von der Gastfreundschaft der Lauensteiner. Nach der Arbeit konnten sie ins Freibad. Das hat ihnen Ortsvorsteher Siegfried Rinke aufgeschlossen. Die Sanitäranlagen der Feuerwehr nutzten sie, und die Volksbank hat das Forschungsvorhaben finanziell unterstützt. Museumsleiterin Gabriele Gelbrich half bei der Organisation der Exkursion.

Jetzt ist der frühere Lauensteiner Galgen genau vermessen und dokumentiert. Die Erkenntnisse werden noch ausgewertet. Im Oktober ist ein Vortrag im Schloss Lauenstein geplant, bei dem die Forschungsergebnisse vorgestellt werden.