Von Hartmut Landgraf
Der Forstbezirk Neustadt stellt in der Sächsischen Schweiz unter bestimmten Voraussetzungen Genehmigungen für Lagerfeuer in der freien Natur aus – unter anderem auch in einigen Boofen*. Die Forstbehörde ist für den linkselbischen Teil des Elbsandsteingebirges zuständig – etwa für das bei Kletterern wie Boofern beliebte Bielatal.
Der das sagt, ist kein Geringerer als Klaus Jost, Referent in der Stabsstelle Forsthoheit und bekannt als einer der drei führenden Köpfe der Neustädter Behörde. Wie die SZ von ihm erfuhr, sei Voraussetzung einer solchen Erlaubnis, dass die Feuerstelle im Gelände „für die Feuerwehr erreichbar“ ist. Es gebe Boofen im Forstbezirk, die diese Voraussetzung erfüllen, so Jost.
Skepsis in Forstkreisen
Insider aus Forstkreisen gehen davon aus, dass man sich in Neustadt freilich zu keiner allzu freihändigen Erteilung solcher Genehmigungen versteigen dürfte. Vermutet wird, dass es sich bei der Offerte um den vorsichtigen Versuch handeln könnte, einen seit Jahren schwelenden Konflikt mit den Berg- und Wanderfreunden in der Sächsischen Schweiz zu entschärfen. Denn während den Behörden im links- wie rechtselbischen Teil der Sächsischen Schweiz Boofenfeuer bislang ein Dorn im Auge waren, gehören sie aus Sicht vieler Kletterer zu den Traditionen des Bergsports. Namentlich das ehemalige Forstamt Cunnersdorf (zuständig fürs Bielatal und heute in den Neustädter Forstbezirk integriert) war in Bergsteigerkreisen eher für eine rigide Haltung zum Feuern bekannt. Wie Jost andeutet, sind die Chancen auf eine Erlaubnis denn auch im Winter weit besser als im Sommer, wenn wegen der Waldbrandgefahr erhöhte Warnstufen und ein striktes Feuer-Tabu gelten.
Verfahrensweise: Interessenten können ihre Feuerwünsche schriftlich oder per E-Mail nach Neustadt schicken, dort werden sie geprüft und gegebenenfalls bewilligt. Kostenpunkt: 25 Euro. Weiterhin tabu bleibt das wilde Feuern ohne Erlaubnis. Hier lässt auch der Forstbezirk Neustadt nicht mit sich spaßen und ahndet Verstöße mit teils üppigen Bußgeldbescheiden. Im vergangenen Jahr nahm illegale Feuerei im Gelände in 56 Fällen ein solches Ende, teilt die Behörde mit.
Im Sächsischen Bergsteigerbund (SBB) ist man über die Neuigkeit aus Neustadt dennoch völlig aus dem Häuschen. „Das wäre regelrecht revolutionär“, freut sich Reinhard Wobst, langjähriger Boofenexperte in der Arbeitsgruppe Naturschutz des SBB. Seit Jahren wirbt der Bergsteigerbund nämlich im Interesse seiner Klientel im Nationalparkamt so beharrlich wie vergeblich um Lockerung des Feuerverbots unterm Fels. Ein Stück immerhin ist man auch im Nationalpark den Wünschen der Berg- und Wanderfreunde entgegen gekommen: 2006 hat das Bad Schandauer Amt zehn offizielle Feuerstellen in seinem Territorium eingeweiht.
Nationalpark hält sich zurück
Diese liegen jedoch aus Bergsteigersicht zu weit entfernt von jenen Plätzen, wo das Boofen im Nationalpark gestattet ist. Außerdem fürchten Naturschutzinteressierte innerhalb und außerhalb der Bergsportszene, dass diese Feuerstellen wegen ihrer leichten Erreichbarkeit eher problematische Romantiker anlocken – nämlich jugendliche Radaugruppen. Feten an der vom Nationalpark eingerichteten Feuerschale am Hockstein sind bekannt.
Die einzige Ausnahme, die das Amt bislang in unmittelbarer Nähe zum Fels macht, sind die jährlichen Gedenkveranstaltungen des SBB zum Totensonntag auf der Hohen Liebe, in deren Zuge die Bergsteiger zum Großen Dom wandern und die Feierlichkeit dort am Lagerfeuer ausklingen lassen dürfen.
Skrupel gegen eine Lockerung des Verbots hegt der Nationalpark nicht nur wegen der befürchteten Zerstörung von Fels-Biotopen durch Hitze und Rauch: In den Schrammsteinen wurden im Juni 2006 zudem 1,2 Hektar Wald Opfer eines Großfeuers, 2007 brannte es im Großen Zschand. Die Ursachen sind jedoch ungeklärt. Einen Zusammenhang zum Boofen könne man nicht eindeutig herstellen, sagt Nationalparksprecher Hanspeter Mayr. 30 Bußgeldverfahren hat sein Amt wegen illegaler Feuerei im vorigen Jahr eingeleitet, 90 Prozent für Lagerfeuer in Boofen. In einer weitaus größeren Zahl von Fällen dürften die Waldhüter das Nachsehen gehabt – oder ein Auge zugedrückt haben.
*Boofen sind Plätze, meist unter Felsüberhängen, die von Wanderern und Bergsteigern für das Übernachten im Freien genutzt werden.