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Forstbibliothek: Aus dem Frost zu neuem Leben

Tharandt. Im Sommer 2002 flutete die Weißeritz große Teile der Forstbibliothek. Jetzt sind viele der durchnässten Bücher wieder auferstanden.

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Von Jörg Stock

Es ist ein später Sieg über das Flutchaos, aber immerhin ein Sieg: 3 200 Bücher aus der Tharandter Forstbibliothek sind wieder hergestellt und benutzbar. Sie haben die Katastrophe vom August 2002 überstanden, als das Weißeritzwasser mehr als 6 000 Bände der historischen Fachbuchsammlung durchnässte und mit einer braunen Schlammschicht überzog.

Zu den Rettern zählt Antje Trautmann. Sie leitet die Restaurierungswerkstatt der Sächsischen Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek (Slub) in Dresden. Weiß bekittelt steht sie nun im großen Arbeitsraum und deutet auf ein kleines Regal mit arg zerzausten Buchkörpern. „Wenn die bearbeitet sind, dann ist die Rettungsaktion abgeschlossen.“

Bis dahin war es ein weiter Weg, und der Anfang machte nicht gerade Mut. Eberhard Blücher, Leiter der Slub-Abteilung Bestandserhaltung, schleppte damals selbst mit Bücherkisten aus den abgesoffenen Tharandter Magazinen. Ich dachte damals: Das wird nichts mehr.“ Die Bibliothek der TU-Fachrichtung Forstwissenschaften in Tharandt zählt zu den umfangreichsten und ältesten Sammlungen forstlicher und jagdkundlicher Literatur der Welt. Ihren Grundstock legte Heinrich Cotta 1816 mit seinen Privatbeständen. 2002 gingen allein in den Kellern des Altbaus zirka 4 500 Bände für immer unter. Doch viele andere Bücher wurden geborgen. Etwa 6 000 Exemplare wanderten umgehend in Kühlhäuser und wurden eingefroren, um den Schimmelbefall zu stoppen. Danach ging es an die Trocknung. Insgesamt 3,7 Tonnen literarische Tiefkühlkost bearbeiteten die Experten mit dem Verfahren der Vakuumtrocknung. Dabei taut das Eis nicht auf, sondern verflüchtigt sich praktischerweise gleich als Dampf.

Nachdem die Feuchtigkeit weg war, befürchteten die Restauratoren aber noch Keime zwischen den Buchseiten. Denn da klebte ja weiterhin der Schlamm. „Da kann es schnell zu Schimmelbildung kommen“, sagt Eberhard Blücher. Also wurden die zehn Paletten Buchmaterial in einer Radeberger Firma mit Gamma-Strahlen beschossen und so alle Erreger eliminiert. „Radioaktiv sind die Bücher deswegen aber nicht“, versichert der Experte.

Den Dreck von den Seiten zu kriegen, war ein besonderes Problem. Die professionelle Einzelblattbehandlung kam aus Kostengründen nicht in Frage – fast eine halbe Million Euro hätte man dafür schätzungsweise ausgeben müssen. Schließlich entschied man sich für einen Spezialstaubsauger mit Bürste. In der hauseigenen Presse nahmen die arg verbeulten Bücher dann wieder ihre ursprüngliche Form an – neuer Einband drum, fertig. Nun stehen die Titel im klimatisierten Magazin der Dresdner Slub, und warten auf ihre Rückkehr nach Tharandt. Dort wächst die neue Bibliothek, der Innenausbau hat schon begonnen. Klappt alles, öffnet das Haus im Herbst.