Von Philipp Nowotny
Wer den Tharandter Friedhof besuchen will, braucht derzeit noch festes Schuhwerk. An schattigen Stellen, zwischen Tannen und Buchen, bedeckt eine nasse, tropfende Schneeschicht Gräber und Wege. Davon ließen sich neun Forststudenten diesen Mittwoch allerdings nicht abschrecken. Pünktlich zum Semesterbeginn rückten sie der wilden Vegetation mit Hacke und Rechen zu Leibe – auf den Gräbern berühmter Professoren. Die freiwilligen Helfer befreiten die alten Ruhestätten von Laub, Nadeln und Unkraut.
Bereits seit 2008 kümmern sich Studenten der forstwissenschaftlichen Fakultät jedes Jahr ehrenamtlich um die Gräber der ehemaligen Professoren auf dem Tharandter Friedhof. Auch dieses Jahr hat wieder der studentische Fachschaftsrat die Aktion organisiert.
Dabei werden die Ruhestätten von fünf bedeutenden Tharandter Professoren neu hergerichtet, deren Nachkommen verstorben oder weggezogen sind: Johann Heinrich von Cotta, Anton Heger, Max Friedrich Kunze, Friedrich Nobbe und Julius Adolph Stoeckhardt – sie alle wirkten in den vergangenen 200 Jahren in Tharandt.
Im vergangenen Jahr entfiel die Aktion aus organisatorischen Gründen. In einem dementsprechend schlechten Zustand befinden sich die Gräber derzeit, Unkraut und wilde Gräser sprießen vor den Grabsteinen, der lange Winter hat sein Übriges getan. „Die Gräber werden von den Studenten jetzt so gepflegt, damit sie wieder repräsentativ sind“, erklärt Friedhofsverwalterin Ellen Knorr. Von dem ehrenamtlichen Einsatz der Forststudenten profitiere auch die Stadt Tharandt, sagt die Friedhofsverwalterin. Denn gerade im Frühling, wenn die Rhododendren blühen, kommen oft große Touristengruppen in den Ort und besuchen im Rahmen von Stadtführungen auch den idyllischen Friedhof an der Wilsdruffer Straße. Vor allem die Gräber der bekannten Altprofessoren sind dabei ein Anziehungspunkt.
Die neun Forststudenten, die sich dieses Jahr freiwillig gemeldet hatten, waren am Mittwoch in dicken Jacken und Arbeitshandschuhen am Werk. „Leider ist das Wetter noch nicht so gut“, sagte Jacqueline Reichenbach vom Fachschaftsrat. „Einige Gräber liegen ja noch unter einer Schneedecke. Das ist schade, aber das Gröbste konnten wir schon machen.“
Jacqueline Reichenbach studiert im vierten Mastersemester Forstwissenschaften. Die 26-Jährige findet es wichtig, dass die Grabpflegeaktion fortgeführt wird. „Dadurch fördern wir das Gedenken an die ehemaligen Professoren, die hier gewirkt haben“, sagt sie. Schließlich seien die Stadt Tharandt und die forstwissenschaftliche Fakultät geschichtlich eng miteinander verbunden: Viele Professoren, die in Tharandt gelehrt haben, lebten auch hier in der Stadt und nahmen rege am öffentlichen Leben teil. Eine Tradition, die bis in die Gegenwart weitergelebt werde.
Auch heute noch sei der Campus der forstwissenschaftlichen Fakultät „etwas Besonderes“, finden Jacqueline Reichenbach und ihre ehrenamtlichen Mitstreiter. So haben sich zahlreiche Studenten nicht etwa in Dresden, sondern hier in Tharandt eine Wohnung gesucht. Die Universitätsgebäude liegen sehr nah beieinander und sind dennoch in das Stadtleben integriert. Auch die Nähe zu Wald und Natur sei ideal.
Die Grabstätten auf dem Friedhof spiegeln die tiefe Verwurzelung der Forstfakultät in Tharandt wider. Wo gebe es das sonst, dass so viele ehemalige Professoren auf so engem Raum beieinander beerdigt lägen, fragen die Studenten. Die Grabpflegeaktion machen sie kostenlos, auch für ihr Studium können sie sich dafür keine Punkte anrechnen lassen.
Im Mai, wenn der letzte Schnee geschmolzen und der Boden vollständig aufgetaut ist, wollen sie die Ruhestätten wieder hergerichtet haben. Dann sollen auch vereinzelt neue Blumen gepflanzt werden.