Von Heinz Morche
Für die durstige Welt kommen nunmehr die köstlichen Zeiten der lieblich duftenden Maibowle!“ Mit diesen Worten stimmte der „Sächsische Postillon“ am 1. Mai 1903 die Leser auf den Wonnemonat ein. Und er verkündete einige wichtige „Bauernregeln“ wie „Mairegen auf die Saaten, dann regnet es Dukaten“ oder „Viel Gewitter im Mai, schreit der Bauer Juchhei!“
Ein „gemeines Bubenstück“ ist am 3. Mai in Dürrhennersdorf im Kretscham verübt worden. Ein Gruppenbild des Turnvereins aus dem Jahre 1896 ist auf die Straße geworfen und zertrümmert aufgefunden worden. „Ob hier nur Leichtsinn oder gar ein Racheakt gegen den Turnverein vorliegt, konnte bisher nicht festgestellt werden“, schrieb die der „Postillon“. In Zittau ist von einer Waschfrau eine „empörende Rohheit“ verübt worden. „Als sie bei ihrer Arbeit von Kindern geneckt wurde, goss sie siedendes Wasser nach ihnen, traf aber einen an der Neckerei nicht beteiligten kleinen Schulknaben. Dieser wurde derartig verbrüht, daß er in ärztliche Behandlung gegeben werden mußte.“
Vor so genannten „Volksheilmitteln bei Blutungen“ warnte das Blatt am 6. Mai. Denn „Spinnweben, Urin, Kuhdung und dgl. haben nicht nur eine höchst fragliche Wirkung, sondern vermögen auch durch Verunreinigung der Wunde schwere Erkrankungen nach sich ziehen“.
Von Gasen der Jauchegrube betäubt
In Sohland ereignete sich ein Unfall, dem beinahe drei Menschen zum Opfer gefallen wären. Der Häusler und Weber P. wollte die Jauchegrube reinigen. „Beim Öffnen der Grube wurde er jedoch von giftigen Gasen betäubt, so daß er in die Grube stürzte.“ Dasselbe Schicksal ereilte auch seine Ehefrau sowie einen Nachbarn, die Hilfe leisten wollten. Erst dem Brunnenbauer H. gelang es, „mit Hilfe der Umstehenden und Stricken die Verunglückten bewußtlos heraufzubringen. Alle drei Personen haben sich später, nachdem ärztliche Hilfe erschien, wieder erholt“.
„Berechtigtes Aufsehen“ erregte am 8. Mai in Ebersbach die Verhaftung des hiesigen „Eisendrehers R.“ „Derselbe soll falsche Zweimarkstücke angefertigt und auf verschiedenen stellen als echtes Geld verausgabt haben. Auch das zur Verfertigung dienende Material, Formen und Werkzeug sollen in seiner Wohnung vorgefunden worden sein.“
Am 12. Mai stattete in Leutersdorf ein Dieb dem hiesigen „Bienenvater Herrn Mildner“ einen Besuch ab. „Derselbe hatte sich zunächst in den Hühnerstall Eingang zu verschaffen gesucht, da aber die Tür desselben nicht nachgegeben, hat er sich die Bienenstöcke für seinen Raubzug ausersehen.“
Am 16. Mai meldete der „Sächsische Postillon“, dass nun die drei „Weinmörder“ (gemeint sind die Eisheiligen) glücklich vorbei seien. „Zwar haben sie sich durch ziemlich schlechtes Wetter ausgezeichnet, doch sind die Regengüsse der letzten Zeit für die Vegetation im allgemeinen von Nutzen gewesen. In der gleichen Ausgabe wird das „buntbewegte Jahrmarktsbild“, das zweimal im Jahr in Löbau stattfindet, wie folgt angekündigt: „Bude und Bude entstanden auf dem Altmarkt, dem Neumarkt und angrenzenden Straßen, und für Belustigungsangelegenheiten mancherlei ist gesorgt. Die Händler mit ihren wohlgefüllten schweren Marktkisten sind eingetroffen und hocken rauchend und plaudernd auf denselben, auf guten Verdienst hoffend.“
Aus Löbau wurde am 19. Mai bekannt, „daß der Taler immer mehr aus dem Verkehr verschwindet. An seine Stelle treten 5- und 2-Mark-Stücke“. In Ostritz hat der hiesige „Verschönerungsverein“ einstimmig die Errichtung einer Baude auf dem „alten Hutberg“ beschlossen. In Löbau fand am 20. Mai das „Gendarmenschießen“ der beiden Amtshauptmannschaften Löbau und Zittau unter der Leitung des Herrn „Gendarmerie-Oberinspektors Oberstleutnant a. D. von Deygendorff aus Dresden“ statt.
Am 29. Mai wurde während des Wochenmarktes in Löbau bei zwei auswärtigen Verkäufern „minderwertige Butter“ vorgefunden. „Während in früheren Zeiten die Butter konfisziert wurde, wird dieselbe jetzt zerschnitten, dem Verkäufer zurückgegeben, und es gibt für jedes mindergewichtige Stück eine Geldstrafe von einer Mark .“
„Geschirr“ fuhr Kind
über den Unterleib
In Ober-Reichenau, in der Nähe des Preibischen Krankenhauses, ist das fünfjährige Töchterchen des Bergarbeiters B. von einem „Geschirr“ überfahren worden. „Beide Räder gingen dem armen Kind über den Unterleib, der alsbald ganz erheblich anschwoll. Der Kutscher, welcher das Unglück mit angesehen hatte, fuhr, obwohl ihn mehrere Leute zum Halten aufforderten, in schnellem Trabe davon.“
Quelle: Christian-Weise-Bibliothek Zittau, Wissenschaftlicher Altbestand