SZ +
Merken

Frauen an die Dübel

Heimwerkerkurse für Frauen, das ist neu im Toom Baumarkt in Zittau. Nur ein Ziegel ist dabei zu Bruch gegangen.

Teilen
Folgen

Von Mario Heinke

Sie haben eine Mission und wollen unerkannt bleiben. Acht Frauen sitzen am vorigen Donnerstag im Toom-Baumarkt auf zwei Bierbänken am Biertisch und trinken Sekt. Das Gläschen Schampus geht aufs Haus, die Stimmung ist gut. Konzentriert lauschen die Damen dem Mann von der Firma Fischer, deren Gründer vor über 50 Jahren den Nylon-Dübel erfunden hat. Dirk Altermann doziert über den Fischer-Dübel im Allgemeinen und Besonderen und spricht über Befestigungstechnik, Baustoffe und Lochdurchmesser.

Noch nie hat der Toom-Baumarkt Frauen den Umgang mit Spreizdübeln so ausführlich demonstriert, denn die Schrauben- und Dübelabteilung gehört zu den letzten Reservaten des deutschen Heimwerkers, der mehrheitlich noch immer von männlichem Geschlecht ist. Nur zwischen Metallregalen voller Ankerhülsen, Bolzen, Messingschrauben und Hohlraumdübeln finden Manfred, Helmut & Co noch einen Rückzugsort, auf der stillen Flucht vor ihrer besseren Hälfte. Das Schrauben- und Dübelregal ist ein geradezu heiliger Ort voller Offenbarungen, an dem es keinen Platz für kreativen Schnickschnack gibt, an dem ausschließlich rational gedacht wird. Diese Bastion männlicher Vorherrschaft gedenken die Damen des Heimwerkerkurses an diesem Abend ein für alle Mal zu erstürmen. Martina lässt keinen Zweifel an ihren emanzipatorischen Zielen: „Ich möchte nicht immer jemanden fragen, wenn ich mal eine Gardinenstange anbringen will“, sagt die Dübelkurs-Teilnehmerin entschlossen und allen in der Runde ist klar, dass der „jemand“ ein Mann sein muss.

„Am Anfang steht das Loch“, fast philosophisch beginnt Dirk Altermann seinen löchrigen Diskurs über den Beginn des langen Erkenntnisprozesses, der im günstigsten Fall damit endet, den richtigen Dübel für die jeweilige Wand gefunden zu haben. Nach der Analyse des Sägemehls aus der Probebohrung sollte geklärt sein, ob die Wand aus Beton, Porenbeton, Ziegel oder Gipskarton besteht, so Altermann. Bei der Erörterung der Bohrverfahren merkt der Kursleiter, dass er gedanklich noch mal einen Schritt zurückgehen muss und erklärt, an welcher Stelle des Bohrers der Durchmesser eingeschlagen ist. Beate hält den Bohrer in die Luft und dreht ihn zwischen den Fingern. „Ich hab meine Brille nicht mit“ sagt die zukünftige Heimwerkerin. „Das ist ein achter Bohrer, da gehört ein achter Dübel dazu“, hilft Altermann. Die Bohrung müsse größer sein als das Loch, wirft eine der Frauen ein, die offensichtlich über bohrtechnische Vorkenntnisse verfügt. Diese Theorie aus DDR-Zeiten gehöre endgültig ins Reich der Legenden widerspricht der Fischer-Gebietsleiter kategorisch. Die korrekte Auswahl des richtigen Dübels nimmt noch ein Stück des theoretischen Kursteiles in Anspruch. Alle Damen erhalten eine Broschüre mit Tabellen, die Dübelgrößen und Anwendungen zusammenführen. Altermann empfiehlt das erworbene Grundwissen der Befestigungstechnik im Selbststudium daheim zu verfestigen. Als Unruhe im Lagerraum aufkommt, sich die ersten Gesprächsgruppen bilden, beginnt der Fischerexperte mit dem praktischen Teil des zweistündigen Kurses.

Skeptisch beobachte Marktleiter René Hartlage das folgende Bohrgeschehen, denn der Fischermann hat extra lange Dübel für das Training herausgesucht. Eine Teilnehmerin rutscht immer wieder mit der Bohrmaschine ab, ein Bohrer bleibt stecken und ein Ziegel bricht, weil die Bohrerin den Schlag der Schlagbohrmaschine nicht abgeschalten hat. Martina legt ihr ganzes Gewicht in die Bohrung, drückt kurz und fertig! Hartlage und Altermann sind begeistert, die Durchsteckmontage des extra langen Dübels kann umgehend erfolgen. Das Eindrehen der Schrauben wird sowohl mit dem Akkuschrauber als auch per Hand geübt, um das Gefühl für Dübelknoten- und spreizung zu schulen. „Beim Schrauber meines Mannes ist immer der Akku leer“, gesteht eine Teilnehmerin freizügig. Vielsagendes Gelächter in der Frauen-Heimwerkerrunde verrät, das ähnliche Erfahrungen auch bei den anderen vorhanden sind.

Nach 65 Minuten haben alle ein Loch gebohrt und mindestens einen Dübel versenkt und sind mit ersten Erfahrungen zu Drehzahl, Drehmoment und Druckkraft ausgestattet. Dirk Altermann wirkt schon etwas geschafft und greift noch mal in seinen Koffer. Er zeigt Fischers Wunderwaffe, den Universaldübel und bringt die Frauen mit „Fix it“, einem Reparaturvlies für ausgerissene Bohrlöcher, zum Staunen. In nur drei Minuten härtet der Vlies aus und der Dübel sitzt. „Gibt es den nur in weiß“, will eine der Frauen wissen. Altermann ist sprachlos.

Am Ende bekommen alle Dübelspezialistinnen eine Tasse und einen Rabattgutschein. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, kommentiert Beate den Abend. Sie lebt mit ihrer Schwester männerlos in einem Umgebindehaus und beide wollen so viel wie möglich selbst machen.