Frauen gegen geänderte Krebsvorsorge

Grit T. aus Chemnitz ist erleichtert: Kein Gebärmutterhalskrebs! Der Frauenarzt hatte zuvor beim sogenannten Pap-Test Auffälligkeiten im Zellabstrich festgestellt und außerdem noch gefährliche Viren. Bestimmte Gruppen der Humanen Papillomaviren – kurz HPV genannt – gelten als Hauptverursacher für diesen Krebs.
Der HPV-Test ergänzt seit Jahresbeginn die Krebsvorsorge für Frauen ab dem 35. Lebensjahr. Sie erhalten nun eine Kombination aus Pap-Test und HPV-Test als Kassenleistung. Doch während der Pap-Test bisher jährlich bezahlt wurde, ist die neue Kombi-Vorsorge jetzt nur noch alle drei Jahre vorgesehen. Wer den Zellabstrich weiter jährlich möchte, muss ihn selbst bezahlen. Darin sehen viele Frauen eine gefährliche Sparmaßnahme und haben deshalb eine Online-Petition gestartet. Darin fordert die Initiatorin Scherin Ingeborg Müller die Rückkehr zum jährlich bezahlten Pap-Test. Denn gerade ab 35 steige das Krebsrisiko, da dürfe die Vorsorge nicht abgespeckt werden, sagt sie. Mehr als 45.000 Personen haben bereits unterzeichnet. Und es werden immer mehr.
Der Tumor wächst meist langsam
Für Dr. Michael Brychcy, Leiter der Spezialsprechstunde Gebärmutterhalskrebs am DRK-Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein, zeigt die Reaktion der Frauen, dass noch viel Aufklärungsarbeit nötig ist. Denn der zusätzliche HPV-Test mache die Früherkennung sicherer. Der Pap-Test allein zeige nur an, ob Zellen verändert sind. „Er birgt Unsicherheiten. So wurden mitunter bösartige Zellen nicht entdeckt. Da fallen immer Frauen durchs Raster.“ Sei aber auch der HPV-Test negativ, könne sich die Frau sicher sein, in den nächsten drei Jahren nicht an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. „Denn dieser Tumor wächst meist sehr langsam. Deshalb rate ich den Frauen auch davon ab, den Zellabstrich zwischen den empfohlenen Untersuchungsintervallen auf eigene Kosten durchführen zu lassen“, sagt er.
Hochrisikovarianten der HP-Viren finden sich zwar fast in jedem Tumor am Gebärmutterhals. Doch bedeute ein positiver Test nicht gleich Krebs, so Brychcy. „Die Viren lösen in der Mehrzahl der Fälle Entzündungen aus, die von selbst wieder abheilen.“ Aus diesem Grund sei in den Leitlinien zur neuen Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung bei HP-Virenbefall auch eine Abklärungskolposkopie vorgeschrieben.
Ziel des neuen Vorsorgemodells sei es, die Zahl der Todesfälle durch Gebärmutterhalskrebs zu reduzieren. Hochrechnungen des Deutschen Krebsregisters zufolge erkrankten im vergangenen Jahr 4.300 Frauen daran. Rund 1.600 überlebten die Krankheit nicht. Trotz sinkender Erkrankungszahlen ist die Sterberate unverändert hoch.
Teils monatelange Wartezeiten
„Wie sinnvoll die Kombination aus HPV- und Pap-Test ist, lässt sich erst in sechs bis acht Jahren feststellen“, sagt Dr. Cornelia Hösemann, Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in Sachsen. Zur Dokumentation der Untersuchungsergebnisse fehle aber immer noch die entsprechende Praxissoftware. Laut Hösemann sei es Aufgabe des Gesundheitsministeriums, Ärzten diese Programme zur Verfügung zu stellen.
Dieses Manko ist einer der Gründe, warum der Berufsverband einen späteren Starttermin forderte. Ein weiterer ist die geringe Dichte an Spezialpraxen, die eine Abklärungskolposkopie durchführen.
Sechs solche Spezialpraxen gab es zu Jahresbeginn in Sachsen. Zehn sind es Cornelia Hösemann zufolge jetzt, und weitere seien noch im Genehmigungsverfahren. Damit ist der Freistaat recht gut aufgestellt. Im Nordosten der Republik müssen Frauen bis nach Rostock fahren, um einen Krebsverdacht abzuklären. Die teils wochen- oder monatelangen Wartezeiten seien in einer solchen Situation unzumutbar, so der Frauenärzteverband. Doch fand man damit kein Gehör, die Änderung trat wie geplant zum Jahresbeginn in Kraft.
Auch Grit T. aus Chemnitz musste für ihre Abklärungsuntersuchung eine sogenannte Dysplasie-Sprechstunde aufsuchen. „Ich habe etwa einen Monat auf diese Untersuchung gewartet und dann noch einmal eine Woche auf das Ergebnis“, sagt sie. Das habe sie schon sehr belastet, obwohl sie sich vorgenommen hat, positiv zu denken. Da bei ihr Vater und Mutter an Krebs gestorben sind, ließ sich die Angst jedoch nicht ganz wegdrücken. Als der Befund kam, sei erst einmal eine Last von ihr abgefallen, doch ein mulmiges Gefühl bleibe, wie sie sagt. Denn auffällig seien die Zellen ja nach wie vor und müssten deshalb weiter kontrolliert werden.
Kassen schicken Erinnerung raus
Die Wartezeiten auf eine Abklärungskolposkopie in Sachsen dürften sich in den nächsten Wochen verringern, so Cornelia Hösemann. Denn immer mehr Ärzte erwerben die Qualifikation dafür. Kurse, die wegen der Coronakrise abgesagt wurden, starten nun wieder. Doch der Bedarf werde nach Ansicht von Michael Brychcy ebenso zunehmen. „Durch den zusätzlichen HPV-Test werden mehr Frauen als kontrollbedürftig eingestuft.“ Damit seien mehr Gewebeprobeentnahmen nötig. „Derzeit kommen viele Frauen mit Minimalbefunden zur Abklärungskolposkopie. Das muss eigentlich nicht sein, denn damit schürt man auch immer Ängste.“ Aus seiner Sicht sei der Algorithmus zur Abklärung von Krebsverdachten noch nicht abschließend geklärt.
Obwohl die neue Früherkennungsuntersuchung sicherer als die alte ist, sind die Frauenärzte in Sorge, dass Krebserkrankungen verschleppt und damit erst spät erkannt werden. Denn sie befürchten, dass die Frauen dann nur noch alle drei Jahre zum Frauenarzt gehen, nämlich dann, wenn die Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung fällig ist. Doch eine gynäkologische Untersuchung wird jährlich empfohlen.
Damit die Früherkennungsuntersuchungen nicht verpasst werden, schicken Krankenkassen Erinnerungsschreiben an ihre weiblichen Mitglieder der entsprechenden Altersgruppe. Die AOK Plus hat im ersten Quartal dieses Jahres rund 200.000 Versicherte an die Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge erinnert, wie Sprecherin Hannelore Strobel sagt. Brychcy würdigt diese Initiative. Dennoch sei es zielführender, wenn Versicherte nicht pauschal alle fünf Jahre ein solches Schreiben erhielten, sondern dann, wenn bei Ihnen auch tatsächlich eine Früherkennungsuntersuchung anstünde.
Grit. T. geht jährlich zur Untersuchung zum Frauenarzt. „Auch die anderen Vorsorgetermine nehme ich wahr. Da fühle ich mich sicher.“ Zudem versucht sie gesund zu leben und sich sportlich zu betätigen. „Ich glaube, mehr kann man nicht tun. Alles andere ist Schicksal.“
Welcher Test wofür?
- Der Pap-Test oder Papanicolaou-Test ist die mikroskopische Untersuchung von Zellen in einem Zellabstrich vom Gebärmutterhals zur Früherkennung von Krebs und dessen Vorstadien. Der Test wurde von dem griechischen Arzt George Papanicolaou entwickelt und 1928 vorgestellt. Der Pap-Test ist kein sicherer „Krebstest“ im engeren Sinn, so der Krebsinformationsdienst: Ärzte können jedoch sehen, ob Zellen gesund und normal aussehen.
- Der HPV-Test ist ein Abstrich, mit dem Humane Papillomaviren nachgewiesen werden. Diese Viren gelten als Hauptauslöser von Gebärmutterhalskrebs. Dieser test und die Kombination mit dem Pap-Test wurde weltweit in Studien geprüft, so der Krebsinformationsdienst. Sinnvoll sei er aber nur bei Frauen über 30 Jahre. Der Grund: Jüngere Frauen sind häufig mit HPV infiziert. Bei ihnen heilt die Infektion aber auch häufig von selbst wieder ab. Bei etwas älteren Frauen ist ein positiver HPV-Test ein Hinweis darauf, dass die Infektion entweder chronisch geworden ist oder Zellveränderungen vorliegen könnten. Weitere Untersuchungen, zum Beispiel eine Spiegelung des Muttermundes (Kolposkopie) sind erforderlich.