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Frauen wehren sich

Trist ist das Büro, in dem Nicole Winkel zum Interview antritt. Keine Blumen, keine Nippes, nichts Buntes, keine Fotos oder Bilder. „Ja, hier fehlt eben die weibliche Hand“, sagt Jens Ewert, Presseoffizier der Theodor-Körner-Kaserne in Leipzig und lächelt.

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Von Christina Wittich

Trist ist das Büro, in dem Nicole Winkel zum Interview antritt. Keine Blumen, keine Nippes, nichts Buntes, keine Fotos oder Bilder. „Ja, hier fehlt eben die weibliche Hand“, sagt Jens Ewert, Presseoffizier der Theodor-Körner-Kaserne in Leipzig und lächelt. Nicole Winkel steht im Rang unter ihm. Sie ist Soldatin auf Zeit, Unteroffizier im Fernmeldebataillon 701.

Als das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe 2001 entschied, dass auch Frauen eine Ausbildung bei der Bundeswehr machen dürfen, war Nicole eine der Ersten, die sich bewarben. Jetzt ist sie eine von 29 Soldatinnen in Leipzig.

Aufrecht sitzt sie, dreht die Tasse mit dem Kaffee in der Hand hin und her. Presseoffizier Ewert neben ihr, lässig im Stuhl, breitbeinig und aufmerksam. „Nein, Probleme hatte ich hier nicht, als ich mit der Grundausbildung anfing“, sagt Unteroffizier Winkel. „Die Männer haben uns normal behandelt, keine dummen Kommentare.“ Der Blick der jungen Frau wandert kurz zu Offizier Ewert. Der scheint mit der Antwort einverstanden. Er schenkt sich Kaffee nach, rührt Milchpulver hinein und sagt noch: „Ich habe gedacht, die packen das nicht.“

Frauen werden unterschätzt

Ein Offizier hat auch Ines Schulze unterschätzt. Im Fall der 39-Jährigen war es allerdings der Vater. Sekretärin sollte sie erst lernen. Als sie 16 war, probte sie das erste Mal den Aufstand – sie weigerte sich, Sekretärin zu werden. Heute, 23 Jahre später, erinnert sich die Dresdnerin: „Mein Vater entschied daraufhin, dass ich Maurer lernen soll, damals der Beruf, den die lernten, denen wenig anderes übrig blieb.“ Ines Schulze bestand die Ausbildung als eine der besten ihres Jahrgangs, holte ihr Abitur nach, ging zur Uni und studierte Bauingenieurwesen. Nach dem Studium entschied sie sich für eine eigene Firma. Bis heute bereut sie es nicht: „Man ist freier in seiner Arbeit, hat viel mehr Möglichkeiten.“ Und auch bessere Karrierechancen.

Dass Ines Schulze irgendwann einmal Leiterin des Hochbauamtes geworden wäre, ist unwahrscheinlich, schaut man sich aktuelle Statistiken an: Nur ein Zehntel aller berufstätigen Frauen arbeitet in der Chefetage. „Frauen müssen immer noch mehr leisten, um überhaupt als kompetent aufzufallen“, sagt Karl Lenz, Leiter des Instituts für Soziologie an der TU Dresden. Männer in leitenden Positionen, meint der Forscher, fürchten zu viele Ausfälle, wenn eine Frau erst einmal schwanger ist oder Kinder hat. „Ihnen wird pauschal unterstellt, dass sie Kinder bekommen wollen und sich deswegen nicht entsprechend im Beruf engagieren, wie ein Mann es täte.“

Einer der Gründe, warum Frauen im gleichen Beruf weniger verdienen als Männer. Doch selbst Frauen, die es nach oben geschafft haben, verdienen 18 bis 32 Prozent weniger als männliche Kollegen in einer ähnlichen Position.

Nicole Winkel ist kräftig. Sie schleppt Rucksack und Waffe durch den Matsch. Und sie beherrscht den Befehlston. Unteroffizier Winkel, 23 Jahre alt, weiß, was sie will. Und das nicht erst, seitdem sie selber drillte. „Ich wollte schon immer einen Beruf haben, in dem ich eine Uniform tragen kann“, erinnert sie sich. Ihre Bewerbungen bei der Polizei und beim Bundesgrenzschutz bekam sie zurück. Dann kam die Bundeswehr: „Als ich hier angefangen hab, habe ich einige meiner Kunden wieder getroffen“, erinnert sie sich und lacht.

Erfolg in Armee und Firmen

Vor kurzem hat sich Nicole Winkel für einen Einsatz im Ausland beworben: „Vielleicht im Kosovo oder in Afghanistan.“ Ihren einjährigen Sohn wird sie dann zu Hause lassen. Bei ihrer Schwester. Ein Problem? „Das geht schon, ich sehe mich in erster Linie als Soldat und Mutter. Nicht als Frau und Mutter.“

Ines Schulze ist mit 39 das erste Mal schwanger geworden. Seit Dezember vergangenen Jahres ist sie Mutter eines gesunden Mädchens. „Ich trete zwar ein bisschen kürzer“, sagt sie. „Aber wenn etwas anliegt, kann ich die Kleine mit ins Büro nehmen.“ Eine lange Auszeit kann sich die Bauingenieurin nicht leisten. Sie ist für 30 Angestellte verantwortlich: „Wenn ich einen Monat kein Gehalt zahlen könnte, hätte ich versagt“, sagt sie.

Früher hat sie auch gern noch auf der Baustelle gearbeitet. „Die Männer finden das eher toll“, sagt sie. „Endlich mal ein hübsches Mädchen.“ Da sei es nicht so schlimm, wenn sie nur eine halbvolle Schubkarre schiebt. „Hauptsache, sie gibt sich Mühe.“ Als Chefin wird sie akzeptiert. „Ich glaube, weil ich eine Frau bin, geben sie sich extra Mühe, mir zu gefallen.“ Keine Zickereien, kein Geschlechterkampf. „Was zählt, ist, dass man etwas kann“, sagt Ines Schulze.

Auch die Bundeswehr in Leipzig sorgt nicht besonders für die Mütter in ihren Reihen. Es dauerte lange, bis Unteroffizier und Mutter Winkel einen Kita-Platz für ihren Sohn fand. In einer Tagesstätte für den Nachwuchs von Polizisten. „Es würde sich einfach nicht lohnen, einen extra Kindergarten aufzumachen“, sagt Jens Ewert. Seine Kollegin Winkel zuckt mit den Schultern. Jetzt ist der Kleine ja untergebracht. Vielleicht ändert sich die Einstellung ihrer Vorgesetzten eines Tages. Wissenschaftler Karl Lenz weiß auch, wann: „Erst wenn man die Kompetenz einer Person unabhängig von dessen Geschlecht betrachtet, wird sich etwas ändern.“