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Freiberufler am Limit - eine Dolmetscherin erzählt

Familie, Hausbau, Reisen - Cornelia Bannacks Leben lief. Doch mit jeder Krisenwoche wachsen die Sorgen. Droht Solo-Selbstständigen wie ihr Hartz IV?

Von Nadja Laske
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Die Dolmetscherin und Übersetzerin Cornelia Bannack hat Glück im Unglück. Doch wie lange rettet sie das?
Die Dolmetscherin und Übersetzerin Cornelia Bannack hat Glück im Unglück. Doch wie lange rettet sie das? © (c) Christian Juppe

Dresden. Der Spruch vom selbst und ständig arbeitenden Selbstständigen beschreibt ein Leben ohne Rast und Ruhe. Immer im Risiko, oft von der Hand in den Mund. Die einen tun es aus freien Stücken, die anderen, weil die Branche zu Freelancern neigt. Doch das Hamsterrad sorgte immerhin fürs Auskommen. Das ist nun für Tausende Betroffene nicht mehr der Fall. Auch die Dolmetscherin und Übersetzerin Cornelia Bannack weiß nicht, wie lange sie noch von ihrer Arbeit leben kann.

Sprachlehrer dürfen ihre Schüler nicht treffen, Nageldesignerinnen nicht maniküren, Musiker keine Konzerte und Coachs keine Seminare geben. Nähkurse fallen genau so aus wie Stadtführungen. Und wer beauftragt noch Dolmetscher, wenn alle internationalen Konferenzen und Geschäftstreffen ausgesetzt sind, Behörden ihren Kundenverkehr einstellen?

Häufig ist derzeit die Rede vom Ergehen der so genannten Solo-Selbstständigen. Das sind Selbständige, die keine Angestellten haben. Die meisten von ihnen gelten als Freiberufler. Das wiederum sind Unternehmer, die wissenschaftlich, künstlerisch, schriftstellerisch, beratend, unterrichtend oder erzieherisch arbeiten. Auch Ärzte, Ingenieure, Architekten, Journalisten, Fotografen gehören dazu. Ebenso wie Dolmetscher und Übersetzer. Die Krux: Viele Freiberufler erarbeiten auf Honorarbasis gerade so viel Geld, dass sie ihre Lebenskosten decken können. Für private Rentenversicherungen reicht das Einkommen meist so wenig wie für solide Ersparnisse.  

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Als Cornelia Bannack vor fünf Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, war das eine wohl überlegte Entscheidung. In Leipzig hatte sie Spanisch und Portugiesisch studiert. Ihre vier Kinder sind zwischen elf und 18 Jahre alt, ihr Mann ebenfalls selbstständig als Psychologe und Therapeut. "Früher hatte ich eine halbe feste Stelle und habe nur nebenbei als Dolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet", erzählt die 41-Jährige. Doch bald merkte sie: Aufträge gibt es genug. Der Markt erlaubt es, von dem was sie kann, freiberuflich zu leben. "Weil meine Kinder damals noch klein waren, habe ich immer mehr Übersetzungsaufträge übernommen", erzählt sie. Das ist flexibler und erlaubt Homeoffice. Dolmetscher indes sind viel unterwegs, reisen zu Meetings und Vertragsverhandlungen.

Das Leben lief gut. Cornelia Bannack und ihr Mann kauften ein Haus, sanierten, bezogen Büros in der Nähe ihres bisherigen Wohnortes und nahe der Schule ihrer Kinder. Der Älteste absolvierte ein Auslandsjahr, die Familie liebt das Reisen. Den Pfaden der alten Seidenstraße wollte sie im Sommer folgen. Doch nicht nur China als Urlaubsziel fällt vorerst aus.

"Wir haben die Folgen von Corona sehr früh zu spüren bekommen", sagt Cornelia Bannack und spricht für ihren ganzen Berufsstand. "Ich habe Kollegen, die von einem Tag zum nächsten keine Aufträge mehr hatten und somit auch keine Einkünfte." Forderungen nach Wirtschaftshilfen für Selbstständige führten zwar rasch zu Regelungen: Für betriebliche Belastungen zahlt der Bund je nach Zahl der Angestellten einen Zuschuss von bis zu 9.000 Euro beziehungsweise bis zu 15.000 Euro. Sachsen unterstützt Unternehmer mit zinsfreien Darlehen und die Stadt Dresden reichte Soforthilfe in Höhe von 1.000 Euro an Kleinstunternehmer aus. 

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Doch das Problem der meisten Freiberufler sind nicht die hohen Betriebsausgaben. Sie arbeiten meist am heimischen Schreibtisch, haben selten teure Geräte geleast oder Ausstattung auf Kredit finanziert. Ihnen fehlt schlicht der Lebensunterhalt. Die Frage, ob entfallene Honorare eines Freiberuflers, von denen er Wohnung, Essen Kleidung bezahlt, vom Bundeszuschuss bezahlt werden dürfen, beantwortet die Sächsische Aufbaubank eindeutig mit Nein. "Aufwendungen der privaten Lebensführung werden nicht gefördert", heißt es. So klar waren die Modalitäten aber nicht von Anfang an. Das hat für große Unsicherheit gesorgt. Etliche Freiberufler beantragten zunächst den Zuschuss, bekamen ihn bewilligt und gaben das Geld später zurück.  

Cornelia Bannack arbeitet überwiegend in ihrem Büro. Das hat sie angemietet. Für ihren Job braucht sie Telefon und Internet. Außerdem zahlt sie monatlich für ihre beruflichen Versicherungen. "Im Monat komme ich auf betriebliche Kosten von rund 600 Euro", sagt sie. Die könnte sie geltend machen. Doch im Moment ist das noch nicht nötig. "Zum Glück bin ich nicht nur Dolmetscherin, dann würde es mir jetzt wirklich schlecht gehen", sagt sie. In dieser kritischen Zeit rettet sie ihre Tätigkeit als Übersetzerin. Dank eines längeren Projektes, für das ihre Dienste gefragt sind, habe sie noch bis Juni ihr Auskommen. Cornelia Bannack übersetzt Dokumente für Pflegefachkräfte, die deutsche Unternehmen aus dem Ausland anwerben. 

Doch was, wenn sich die Arbeitswelt in absehbarer Zeit nicht wieder zu drehen beginnt? Veranstalter wissen schon jetzt, dass ihr Geschäft bis Ende des Sommers lahm liegt. All die Freelancer, die für Events Bühnen aufbauen, Licht installieren, Künstler stylen, sind mit betroffen. "Sollte es auch für mich so weit kommen, dann werden wir an unser Erspartes gehen müssen", sagt die Dolmetscherin. Die Nächste Stufe heißt Grundsicherung. Hartz IV. Auch genannt Arbeitslosengeld II. Das zu beantragen, hat die Bundesregierung nun erleichtert. Aber wer will das?

Vorstellen kann es sich Cornelia Bannack nicht. Dass sie mit Fleiß keinen Preis mehr erzielt, weil äußere Umstände die Arbeit verhindern, ist bedrohlich genug. Als überzeugte Selbstständige unselbstständig vom Staat zu leben, verstört noch mehr. Denn es rüttelt am Selbstverständnis. 

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