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Freispruch erster Klasse für den Lebenshof

In einem Prozess um Fördermittel stand die prominente Vereinsspitze vor Gericht. Sie ging rehabilitiert nach Hause.

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Von Ralph Schermann

Im Herbst 2011 erhielt Ulrich Warnatsch das Bundesverdienstkreuz. Im Herbst 2012 bekam Bernd-Johannes Alter den „Meridian des Ehrenamtes“. Im Frühjahr 2013 wollte die Staatsanwaltschaft beide ganz anders würdigen – mit einem Strafbefehl wegen Subventionsbetrugs. „Nein“, sagte Ulrich von Küster, Richter am Görlitzer Amtsgericht, denn „da war inhaltlich noch vieles zu klären.“ So kam es jetzt zu einer dreitägigen öffentlichen Hauptverhandlung, nach der Warnatsch und Alter erhobenen Hauptes ihren Ehrungen weiter gerecht werden: Beide erhielten einen lupenreinen Freispruch. Richter von Küster: „Ich erkenne nicht ein Fitzelchen, nicht einmal einen Hauch von dem bestätigt, was die Staatsanwaltschaft ihnen vorwarf.“

In Ludwigsdorf bestimmt der Lebenshof mit das Ortsbild. Jeder weiß, dass dort Wohnungen dazugehören. Ein Vorwurf, dass dies verschwiegen würde, klingt seltsam. Foto: Nikolai Schmidt
In Ludwigsdorf bestimmt der Lebenshof mit das Ortsbild. Jeder weiß, dass dort Wohnungen dazugehören. Ein Vorwurf, dass dies verschwiegen würde, klingt seltsam. Foto: Nikolai Schmidt

Hintergrund: Zwei Baugenehmigungen legen die Basis für Verwirrungen

Ulrich Warnatsch (58) ist Regionaljugendwart der evangelischen Kirche. Seit vielen Jahren schlägt sein Herz für den Lebenshof in Ludwigsdorf, eine Einrichtung, die Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen Hilfe anbietet. Jugendliche ohne Schul- oder Berufsabschluss können im Lebenshof Berufserfahrung sammeln und werden dabei pädagogisch unterstützt. Ulrich Warnatsch ist Mitinitiator des Projektes und ehrenamtlich Geschäftsführer des Vereins evangelische Stadtjugendarbeit (Esta).

Bernd-Johannes Alter (69), Rentner, ist nicht nur den Görlitzern als langjähriger Landesposaunenwart der Kirche bekannt. Erst 2009 wurde er aus dieser Funktion verabschiedet. Seit der Esta-Gründung 1997 und deren Sitz im „Haus Wartburg“ ist er ehrenamtlich als Vorsitzender tätig.

1998 erwarb Esta das Ludwigsdorfer Gelände, auf dem der Lebenshof formell Mieter des Vereins werden sollte. Für den Umbau eines Wohnhauses wurde eine erste Baugenehmigung zur Dachsanierung und zum Ausbau des Obergeschosses erteilt und umgesetzt. Oben gibt es seitdem drei Wohnungen, deren Mieterlöse dem Verein mit zum Abzahlen von Baukrediten dienen. 2002 folgte eine zweite Baugenehmigung für das Erdgeschoss, dem eigentlichen Werkstattausbau für das anspruchsvolle soziale Projekt des Lebenshofes. 2008 veranstaltete das Amt für ländliche Neuordnung in Ludwigsdorf einen Informationsabend über Fördermöglichkeiten im ländlichen Raum, das sogenannte Ile-Programm. Der Lebenshof fragte an, ob darunter auch der Umbau einer Scheune auf dem Grundstück fallen würde. Das gehe nicht, hieß es, aber die Fassadensanierung des Wohnhauses und der Ausbau der Hofflächen sei durch Ile förderfähig.

Anklage: Lebenshof hat Wohnungen, die aber sind nicht förderfähig

Dankbar für jede mögliche finanzielle Unterstützung stellte Esta die entsprechenden Anträge in Förderhöhe von 20 500 Euro. Mit diesen beschäftigten sich in der Folge Sachbearbeiter, Abteilungsleiter, Kassenprüfer und Fördergremien – alle wohlwollend. Im Mai 2011 erfolgte eine erste Teilauszahlung von 11 500 Euro. Genau diese Zahlung aber wirft ein schlechtes Licht auf die Arbeit des Landratsamtes. Denn dort hatte ein Mitarbeiter im Internet gelesen, dass Esta unter der Adresse des Lebenshofes eine freie Mietwohnung anbietet. Im März nahm er mit einem Kollegen deshalb sogar eine rechtswidrige, weil unzulässigerweise nicht angekündigte Kontrolle vor. Wegen dieser Eigenmächtigkeit entzog ihm der Abteilungsleiter den Fall, tat aber selbst nichts, um die Zahlung im Mai zu verhindern. Denn Ile-Richtlinien untersagen die Förderfähigkeit, wenn Mietwohnungen im Spiel sind. Zwar wurden keine geschaffen, aber der geförderte Fassadenputz macht natürlich vor dem vermieteten Obergeschoss nicht halt.

Der Esta-Verein zahlte die bereits verbauten Gelder zurück. „Das brachte uns sofort an den Rand der Zahlungsunfähigkeit“, bestätigt Warnatsch. Die Staatsanwaltschaft indes sah den Vorgang so, dass Esta beim Förderantrag die vorhandenen Wohnungen bewusst nicht angegeben hätte, sich sozusagen Geld erschlichen habe.

Ulrich Warnatsch und Bernd-Johannes Alter weisen das zurück. Wegen der zwei verschiedenen Bauanträge und des kompletten Abschlusses der Wohnungen vor Beginn des eigentlichen Lebenshof-Ausbaus stand für sie das Vorhandensein der Mietwohnungen beim Förderantrag des Außenputzes in keinem Zusammenhang. „Wir haben nichts verschwiegen, sondern lediglich etwas nicht genannt, von dem wir erst heute gelernt haben, dass das wichtig gewesen wäre“, sagt Alter. Ein Verschweigen wäre auch albern – in Ludwigsdorf kennt jeder den Lebenshof und dessen Wohnungen. Einen Vorwurf freilich kann ihnen auch Richter von Küster nicht ersparen: „Wer Fördermittel beantragt, sollte schon alle Regularien dafür gründlich studieren.“ Wie schwer das ist, betont aber Holger Freymann vom Amt für Kreisentwicklung: „Für Laien ist es fast unmöglich, die vielen Richtlinien zu durchschauen.“

Fortsetzung: Gesondert wird noch gegen Amtsmitarbeiter ermittelt

Während für den Richter schon am ersten Verhandlungstag eine Straftat „kaum möglich“ scheint, beantragt Staatsanwalt Klinkicht immer mehr Zeugen. Doch statt Vorwürfe zu untermauern, formt sich immer stärker ein Bild zugunsten der Beklagten. Übereinstimmend berichten acht Landratsamtsmitarbeiter, Bauingenieure und Architekten, von Unstimmigkeiten nichts gewusst, die Wohnungen nicht als Zusammenhang erkannt oder der Antragsakte einfach nur vertraut zu haben. „Sie wollten wohl irgendwann nur ihr Gesicht wahren“, unterstellt Richter von Küster. Für ihn ist klar: Hätten Vergabekommission, Gutachter und Sachbearbeiter die Antragsteller besser beraten und auf Hürden hingewiesen, wäre es zu diesem Prozess gar nicht gekommen. „Eigentlich sind wir als Behörde dazu da, den Bürgern komplexe schwierige Rechtslagen verständlich zu machen“, gibt der Amtsleiter kleinlaut zu. Weil so manches in diesem Verfahren wohl innerhalb der Behörde nicht richtig lief, wird derzeit auch noch gegen Mitarbeiter ermittelt.

Das Plädoyer von Staatsanwalt Klinkicht ließ noch einmal aufhorchen. Für ihn blieb es bei teils leichtfertigem, teils vorsätzlichem Subventionsbetrug. Er forderte als Strafe 1 200 Euro von Warnatsch, 900 Euro von Alter. Richter von Küster brauchte danach nur fünf Minuten, um stattdessen einen klaren Freispruch zu verkünden. Dass dabei alle 41 Zuschauerplätze leer waren, niemand aus Esta-Kreisen den zwei zu Unrecht Vorgeführten den Rücken stärkte, bleibt als fader Beigeschmack zurück.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.