Um Freitals Feuerwache entbrennt Streit

Wie wichtig ein Thema im Stadtrat ist, sieht man immer an der Anzahl der Zuschauer. Am Donnerstagabend kamen zahlreiche Freitaler zur öffentlichen Sitzung ins Kulturhaus. Dabei ging es bereits zum zweiten Mal um den geplanten Neubau der Feuerwache Döhlen. Allerdings - wie schon bei der Sitzung im Mai - wurde das Thema auf Antrag der Mitte-Links-Fraktion rasch wieder von der Tagesordnung genommen.
Das abermalige Verschieben lag nur vordergründig daran, das Fraktions-Chef Klaus Wolframm begründete, man habe noch Beratungsbedarf. Vielmehr brodelt es im Hintergrund gewaltig. Und das könnte auch mit der Informationspolitik der Verwaltung zusammenhängen. Die wurde von mehreren Räten verschiedener Fraktionen hinterher im vertraulichen Gespräch als "schwach", "unmöglich" und "unterirdisch" bezeichnet.
Über eine neue Feuerwache für Döhlen wird seit Jahren nachgedacht. Denn der jetzige Stützpunkt an der Straße "Am Glaswerk" genügt den Anforderungen gerade noch so. Ein Teil der einst als Handwerksbetrieb errichteten Gebäude stammt aus dem Jahr 1917. Die Feuerwehr zog 1927 auf das Grundstück.
Seitdem wurde mehrmals an- und umgebaut. Doch nun sind Mauerwerk, Decken und Dachkonstruktion in so marodem Zustand, dass sie grundlegend erneuert werden müssten. Auch die Haustechnik ist sanierungsbedürftig. Die Größe der Hallen entspricht nicht mehr den Vorschriften, da die Fahrzeuge heute viel wuchtiger sind als vor Jahrzehnten. Zudem steht die gesamte Wache in einem Überflutungsgebiet. Beim Hochwasser 2002 stieg das Wasser in der großen Fahrzeughalle über einen Meter an.
Herzstück braucht neuen Standort
Dabei ist die Döhlener Wache die Zentrale der Retter in Freital. Wochentags decken neben den freiwilligen Kameraden hauptamtlich angestellte Feuerwehrmänner die Tagesbereitschaft mit ab. Im Schnitt hat die Döhlener Wehr täglich einen Einsatz. Sie ist quasi das Herzstück in Freitals Rettungsstruktur und muss aufgrund der Fahrwege und vorgegebenen Ausrückzeiten im Umfeld der derzeitigen Adresse bleiben.
Die Stadt ließ deshalb vor zwei Jahren eine Analyse anfertigen und untersuchte mögliche alternative Standorte. Und genau dort beginnt das Problem mit der Informationspolitik. Die Studie soll den Räten im Juni 2018 vorgelegen haben, allerdings bewusst nicht öffentlich, um die Grundstückspreise nicht nach oben zu treiben. Sagt zumindest Martin Rülke, Vorsitzender der CDU-Fraktion.
Anderen muss das Papier entgangen sein. Weder Klaus Wolframm (Mitte-Links), noch Lars Tschirner (Bürger für Freital), noch Frank Gliemann (Freie Wähler) können sich an die Standortanalyse und deren Inhalt erinnern. Ganz vage sprach sich zumindest herum, dass die Stadt ein Grundstück nahe dem Ziegelwerk Eder, eines am Bahnhof Potschappel, die Freifläche am Goetheplatz, ein Grundstück des Glaswerkes und den Gewerbehof hinter der Aral-Tankstelle untersucht hatte. Favorisiert wurde der Bereich hinter der Tankstelle - Lage und Größe von rund 12.000 Quadratmetern passten am besten zu den Anforderungen.
Dann geschah lange nichts. Außer, dass die Stadt dem Eigentümer vom Gewerbehof ein Kaufangebot unterbreitete - angeblich einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Der Mann lehnte ab, witterte aber die Chance auf ein gutes Geschäft. Mittlerweile fordert er dem Vernehmen nach 1,2 Millionen Euro.
Abgesehen vom Kaufpreis ergeben sich noch zwei weitere Probleme: Im Gewerbehof sind mehrere Unternehmen eingemietet, denen man kündigen müsste, um anschließend die Gebäude abzureißen. Und das Gelände steht unter Altlastenverdacht. Die 12.000 Quadratmeter werden also teuer.
Neue Idee mit Tücken
Öffentlich diskutiert wurden all diese Aspekte bisher nicht. Und so staunten einige Stadträte, als im Mai ein gänzlich unerwarteter Beschlussvorschlag zur neuen Wache auf der Tagesordnung stand. Der bezog sich auf einen Neubau am Standort der alten Wache. Es ging dabei auch um das Gelände des Skoda-Autohauses hinter der Döhlener Wache. Es ist 2.600 Quadratmeter groß - und steht zum Verkauf.
"Das Angebot kam im Januar", begründet Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) die neue Idee. Im Rathaus fackelte man damals nicht lange und stellte eine neue Überlegung an: Auto-Werkstatt plus Feuerwache Döhlen plus einige Nachbargrundstücke ergeben zusammen immerhin 8.600 Quadratmeter. Könnte also passen.
Ungünstig ist nur, dass der Grundstückseigentümer des Autohauses 470.000 Euro haben möchte. Das ist einigen Räten dann doch zu viel. "Mit Nebenkosten, Abriss und eventuell Altlastensanierung sind wir da ganz schnell bei 600.000 bis 700.000 Euro - für knapp 3.000 Quadratmeter", kritisiert Lothar Brandau (FDP). Unter dieser Bedingung könne man dann auch den Gewerbehof kaufen. Der sei zwar insgesamt teurer, biete aber bessere Platzverhältnisse.
Dazu kommt, dass neben der alten Wache noch zwei Häuser mit insgesamt 15 Wohnungen stehen. Diese wurden von den Kameraden in den Zwanzigerjahren selbst erbaut. Auch heute wohnen dort noch viele Männer und Frauen, die der Döhlener Wehr verbunden sind.
Diese haben nun aus der Presse erfahren, dass ihnen Kündigung und Auszug wegen des neuen Depots drohen. „Wir finden das skandalös. Hier wird Tradition mit Füßen getreten“, schreiben sie in einem Brief an die Verwaltung. Sie halten dagegen, dass Wohnraum in Freitals Zentrum gebraucht werde, gerade auch im Hinblick auf die Döhlener Feuerwehrleute. Außerdem seien die Häuser in einem guten sanierten Zustand. Die Mieter sprechen von „Wertevernichtung“.

Ein weiterer Knackpunkt ist, dass für einen Neubau am alten Standort die Feuerwehr interimsmäßig für viele Monate umziehen müsste. Aber wohin? Welchen Plan hat die Verwaltung dafür? Bisher gibt es darauf keine Antwort.
Zudem möchte die Verwaltung einen Planungswettbewerb durchführen, um die beste Lösung für die neue Wache zu finden. Dafür sollten 85.000 Euro Preisgeld ausgelobt werden. Aber welches grobe Konzept gibt es für die neue Feuerwache? Was ist die grundlegende Idee? Was genau wird dort gebraucht?
"Das sind mir zu viele Fragen, auf die ich bisher keine Antwort erhalten habe", kommentiert Klaus Wolframm. Die Mehrheit der Räte sieht das genauso - von 30 Anwesenden plädierten 21 dafür, die Entscheidung zu vertagen.
Oberbürgermeister Rumberg äußerte sich hinterher enttäuscht. Er befürchte, dass das Autohaus-Grundstück vom Eigentümer nun auf dem freien Markt angeboten und damit für die Stadt unerreichbar wird. Das Zögern des Stadtrates könne deshalb das ganze Projekt gefährden. Aus diesem Grund habe er aufs Tempo gedrückt.
Lothar Brandau will den Vorwurf so nicht stehen lassen. „Wir wollen keine Wache verhindern, wir wollen die bestmögliche Lösung. Und das können wir nicht unter Zeitdruck entscheiden.“
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