Fünf Ideen gegen die Kita-Krise

Die Zahlen, die Freital Sozialbürgermeister Peter Pfitzenreiter (CDU) jeden Monat im Stadtrat verkündet, verheißen nichts Gutes für alle Eltern, die für ihre Kinder einen Betreuungsplatz brauchen. Denn in Freital fehlen in Größenordnung Kitaplätze. Bis zum April kommen 149 Mädchen und Jungen in ein Alter, in dem die Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Krippen- oder Kindergartenplatz haben und einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Das betrifft 60 Krippenkinder und 89 Kinder über drei Jahre. Allerdings sind nur acht Plätze verfügbar. Bis zum Sommer wird die Zahl der offenen Anträge auf 325 steigen. Zum Schuljahresbeginn werden allerdings wieder Plätze frei, da die Kinder in die Grundschule wechseln.
Grund für den Platzmangel sind fehlende Mitarbeiter. Zehn Vollzeitstellen sind derzeit unbesetzt. Wenn die Stadt all ihre Raumkapazitäten in den einzelnen Kitas auslasten würde, müsste sie sogar 38 Erzieher in Vollzeit einstellen. Doch der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Es gibt kaum noch Erzieher auf Jobsuche. Und wenn, dann ist die Konkurrenz unter den Kita-Betreibern groß. Denn auch in Dresden sind viele Stellen unbesetzt. Da helfen nur neue Ideen, um den Erziehern die Arbeit an einem Freitaler Kindergarten schmackhaft zu machen.
Erste Idee: Personal mit Geld und Leistungen überzeugen
Um sich von anderen potenziellen Arbeitgebern abzuheben, setzt die Stadt Freital auf Geld und Sozialleistungen. So ist man bereits zum berufsbegleitenden Ausbildungssystem übergegangen. Erzieher konnte man bisher nur an Berufsschulen werden, nachdem man zuvor die zweijährige Ausbildung zum Sozialassistenten absolviert hatte. Nun stellt die Stadt direkt Auszubildende ein, bezahlt ihnen einen Lohn für die Arbeit in den Kitas und einen Zuschuss zum Schulgeld. Fürs neue Ausbildungsjahr liegen über 80 Bewerbungen vor - bei sechs zu besetzenden Stellen. "Wir ermitteln derzeit, wie viele zusätzliche Auszubildende wir betreuen können", sagt Pfitzenreiter.
Darüber hinaus möchte die Stadt mit zusätzlichen Leistungen Personal gewinnen und halten. So hat man unter anderem die Einstufungen in die Tarifgruppen des öffentlichen Dienstes optimiert. Praxisanleiter, die die Azubis unter ihre Fittiche nehmen, bekommen eine Zulage. Mitarbeiter, die einen neuen Mitarbeiter werben, könnten zukünftig sogar einen Bonus erhalten.
Zweite Idee: Praktikanten enger binden
Teil der Erzieherausbildung an einer Schule sind mehrere Blockpraktika. Auch an den Freitaler Kitas arbeiten solche Praktikanten. Sie sollen bald eine Vergütung erhalten und werden geworben, nach Abschluss ihrer Ausbildung bei der Stadt Freital als Erzieher fest angestellt zu werden. Den Vertrag gibt es bereits vor dem Abschlusszeugnis. Pfitzenreiter: "Wir sprechen alle an, die als geeignet erscheinen, bei uns zu arbeiten." Allerdings vergehen bis dahin noch ein paar Monate: Erst im Sommer beenden angehende Erzieher ihre Schulzeit.
Dritte Idee: Assistenzkräfte und Aushilfen einstellen
Lange ein Tabuthema setzt Freital nun verstärkt auf Sozialassistenten. Die zweijährige Ausbildung ist die Basis für Berufe im sozialen Bereich. Zwar dürfen Sozialassistenten nur in der Krippe und dabei auch nicht mit alleiniger Gruppenverantwortung eingesetzt werden, aber sie können die Erzieher unterstützen. "Das ist auch ein guter Einstieg in die Erzieherausbildung", sagt der Sozialbürgermeister. Zudem setzt die Stadt verstärkt auf Aushilfen auf der 450-Euro-Basis. Dies betrifft vor allem Erzieher im Ruhestand, die stundenweise noch in die Kitas kommen. Man spreche alle an, die in die Rente wechseln, aber sich noch fit genug für den Kita-Alltag fühlen, heißt es aus der Stadtverwaltung. Einige altgediente Mitarbeiter konnte man so mit befristeten Verträgen über die Rente hinaus binden. Pfitzenreiter: "Das funktioniert aber nicht in jedem Fall. Manche wollen auf keinen Fall mehr arbeiten, anderen können wir die hohe Verantwortung nicht mehr übertragen und den Vertrag nicht wieder verlängern."
Vierte Idee: Mehr Tagesmütter und -väter zulassen
Die Stadt hat derzeit 25 Tagesmütter und Tagesväter, die insgesamt 122 Kinder im Krippenalter betreuen. Im April wird eine Tagesmutter neu anfangen, eine weitere kam bereits im Sommer 2019 dazu. "Wir suchen weitere Tagesmütter", wirbt Peter Pfitzenreiter. Es ist eine durchaus ideale Aufgabe für Seiteneinsteiger. Um Kleinkinder zu betreuen, muss man lediglich ein 160-stündiges Curriculum absolvieren, die Zulassung erfolgt dann über den Landkreis. Tageseltern betreuen ihre Schützlinge - maximal fünf Kinder pro Tagespflege - entweder in der eigenen oder in einer angemieteten Wohnung.
Fünfte Idee: Elterninitiativen und externe Helfer
Als im Hort der Ludwig-Richter-Grundschule in Freital-Birkigt im November Erzieher fehlten, sprangen Eltern ein und halfen bei der Aufsicht mit. So zumindest berichtete es Thomas Käfer, Ortsvorsteher aus Kleinnaundorf. Viele Kleinnaundorfer Kinder gehen in die Birkigter Schule. Kann die spontane Idee als Modell für andere Kindergärten oder Schulhorte gelten? Jein, heißt es seitens der Verwaltung. Sicherlich könne man Eltern als Aufsichtsperson nach Absprache einsetzen. So werde es auch bei Ausflügen gehandhabt, wenn Eltern die Gruppen in Freizeiteinrichtungen oder an Wandertagen begleiten. Doch wenn es um die pädagogische Arbeit geht, wird es schwierig. "Es gibt ein Kita-Gesetz, an das wir uns halten müssen. Da schauen auch andere Behörden wie beispielsweise das Landesjugendamt genau hin", erläutert Peter Pfitzenreiter. Rein rechtlich könne man gar nicht ohne weiteres so schnell mal Mütter, Väter oder andere ehrenamtliche Helfer in die Verantwortung nehmen, denn wer als Erzieher tätig werden darf, ist klar geregelt. Was geht, sind professionelle externe Anbieter. So haben sich zum Beispiel Musik- oder Sprachschulen in den Kitas eingemietet, die zusätzliche Angebote wie Gitarrenunterricht oder Englisch für Kleine anbieten. Diese Kurse sind freiwillig und werden von den Eltern separat bezahlt. Pfitzenreiter: "Allerdings bringt das für den Personalschlüssel noch keine Entlastung."