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Freital verschreckt seine Tagesmütter

Kurz vor Ostern bekommen Tagespflegepersonen eine E-Mail von der Stadt. Der Inhalt sorgt für Unruhe und viele Fragen.

Von Annett Heyse
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Kein Kind da: Freitals Tagesmütter haben derzeit nicht viel zu tun. Geht es ihnen jetzt ans Geld?
Kein Kind da: Freitals Tagesmütter haben derzeit nicht viel zu tun. Geht es ihnen jetzt ans Geld? © Andreas Weihs

Das war keine schöne Osterüberraschung für Freitals Tageseltern: Am Gründonnerstag, spätnachmittags, erhielten die Frauen und Männer von der Stadtverwaltung ein Schreiben. Per E-Mail teilte das zuständige Amt mit, dass die laufenden Geldleistungen erst einmal unter Vorbehalt und darlehensweise ausgezahlt werden. Mit anderen Worten: Die Stadt behält sich vor, das Einkommen der Tageseltern im Nachhinein zu kürzen. 

"Das ist ein absoluter Vertrauensbruch. So ein Schreiben und dann auch noch vor Ostern zu einer Tageszeit, als im Rathaus niemand mehr für ein klärendes Gespräch zu erreichen war, ist schon eine Frechheit", sagt eine Betroffene. Sie bangt wie ihre 24 Kolleginnen und Kollegen nun um ein monatliches Einkommen, dass eigentlich ihre Existenz und der Stadt die Kinderbetreuung sichern soll. 

Ist Freital der richtige Ort für Tagesmütter?

In Freital arbeiten 25 Frauen und Männer als Tageseltern. Jeder von ihnen betreut bis zu fünf Mädchen und Jungen im Krippenalter. Für jedes Kind bekommen die Tageseltern einen festen Betrag von der Stadt - abhängig davon, wie viele Stunden täglich die Knirpse laut Vertrag da sind. Für eine siebeneinhalbstündige Betreuung werden monatlich 565 Euro fällig, für eine neunstündige Betreuung 671 Euro.

Finanziert wird diese Aufwandsentschädigung über die monatlichen Elternbeiträge, einen Zuschuss des Landes Sachsen und einen Zuschuss der Stadt. "Man macht kein Vermögen damit, aber ich komme klar. Vor allem aber liebe ich meinen Beruf, ich arbeite wirklich gerne als Tagesmutter", berichtet eine Frau. Allerdings frage sie sich mittlerweile, ob Freital dafür noch der richtige Ort ist.

Denn das Schreiben der Stadt versetzt sie nicht nur in Existenzangst, sondern lässt sie auch noch daran zweifeln, ob die Verwaltung ihre Arbeit auch würdigt. Hintergrund des Schreibens ist - wie sollte es derzeit anders sein - die Corona-Krise. Seit Mitte März sind alle Schulen und Kitas regulär geschlossen, auch die Tagesmütter und -väter fallen unter diese Bestimmungen. Zwar stehen sie für eine Notbetreuung zur Verfügung, aber die meisten Eltern behalten ihre Sprösslinge lieber zu Hause.

Deshalb sollen die Familien ihre monatlichen Beiträge zurückerstattet bekommen beziehungsweise gar nicht erst zahlen. Das hat die sächsische Staatsregierung bereits am 20. März verkündet. "Der Freistaat wird die kommunalen Belastungen durch eine zentrale Finanzierungsregelung kompensieren", heißt es aus dazu aus der Staatskanzlei. Allerdings müssten die Kommunen erst einmal in Vorkasse gehen, bis eine gesetzliche Reglung getroffen ist.

Freital fehlen im Sommer bis zu 300 Kita-Plätze

Für die Stadt Freital heißt das, den Eltern der Kinder ihre Beiträge zurückzuzahlen und dennoch den Tagesmüttern ihre monatliche Aufwandsentschädigung auch für die Zeit der Corona-Krise zu überweisen. Wie das finanziert werden soll, darüber will der Stadtrat am Donnerstagabend in seiner Sitzung beraten.

An die Stadträte haben sich indes auch die Tagesmütter gewandt. In einem Schreiben beklagen sie sich über den Umgang der Stadt mit ihnen. Der Druck kommt ohnehin zur Unzeit, weil Freital jede Tagesmutter dringend braucht - und möglichst noch mehr davon. Denn die Stadt steckt seit Monaten in einer Kita-Krise. 

Im Rathaus liegen mehr Anträge auf Krippen- und Kindergartenplätze vor, als Kapazitäten vorhanden sind. Bis zum Sommer könnte sich das Defizit auf mehr als 300 Plätze belaufen - so die derzeitige Prognose. Händeringend wird im städtischen Sozialamt nach einer Lösung gesucht. Auch hierzu soll der Stadtrat am Donnerstag beraten. Zudem wurde ein Sonderausschuss gegründet, der Lösungen für das Kitaplatz-Problem erarbeiten soll.

Wie sinnvoll es in der Situation ist, nun auch noch die Tageseltern gegen sich aufzubringen, dürften sich auch manche Stadträte fragen. Stoff genug für eine Diskussion in der Stadtratssitzung am Donnerstag ist die unangenehme Osterüberraschung garantiert. Dort muss die Verwaltung dann Rede und Antwort stehen. Eine Presseanfrage der Sächsischen Zeitung zu den Vorgängen ließ die Stadt Freital am Mittwoch allerdings unbeantwortet.

Die Stadtratssitzung findet am 16. April im Stadtkulturhaus statt. Beginn ist 18.15 Uhr.