Friedenskirche Radebeul hat ihr Uhrwerk zurück

Radebeul. Eigentlich sollte es mit einem Fest geschehen - das Ingangsetzen des wiederhergestellten Uhrwerks der Friedenskirche in Radebeul-Altkötzschenbroda. Eigentlich. Geht jetzt nicht. Aber vor allem: Sie läuft wieder, mit ihrem dazugehörigen Werk.
Reichlich drei Dutzend Stufen steigen Pfarrerin Annegret Fischer und Uhren-Restaurator Jörg Hippe nach oben. Vor ihnen steht dort ein vitrinenartiger Schrank - drin das Uhrwerk, etwa so groß wie zwei kleine Waschmaschinen. Mit einer Mechanik, die im Großen das abbildet, was ansonsten in kleinen Taschenuhren steckt.
Messingzahnräder schmieren sich selbst

Messingräder greifen ineinander. Die Augen jedes Mechanikers leuchten bei dem Anblick des glänzenden Metalls. Die gesamte Motorik besteht aus dem Gehwerk und dem Schlagwerk. „Messing ist besser als Stahl“, sagt Jörg Hippe, weil es an den Zahnrädern durch das weichere Material selbstschmierend ist. Vom Gehwerk werden die Zeiger der Uhr getrieben und der einmalige Schlag zur Viertelstunde ausgelöst. Beim vierten Schlag ist der Stundenschlag dran. Eine spezielle Schnecke hat senkrecht angeordnete Windflügel, die im Windwiderstand genau die Bremswirkung erzeugen, die der Schlagablauf benötigt.
Alles in allem ein kompliziertes Ineinandergreifen von Mechanik, die letztlich eine Turmuhr in Bewegung hält. Der Antrieb ist ein langes Seil mit einem Gewicht. Ausgebremst durch den Anker des Uhrwerks, der wiederum vom Pendel seinen Sekundentakt bekommt.
Jörg Hippe hat unter dem Rost die einstige grüne Farbe wiederentdeckt und das Gestell jetzt auch grün angestrichen. Alles ist wieder so, wie es vor fast 170 Jahren hergestellt wurde. Die Radebeuler Turmuhr mit ihrem Werk ist eines der seltenen Fabrikate der Dresdner Firma Bose. 1854 in der Landeshauptstadt gefertigt, hatte es bis vor zwei Jahren im Turm herumgestanden. Dann entschied sich die Kirchgemeinde, es wieder zu sanieren und den Glockenbetrieb und die Zeiger der Uhr mechanisch anzutreiben.
Keine billige Angelegenheit. Die Kosten betragen reichlich 10 000 Euro für die komplizierte und aufwendige Arbeit in der Nickerner Werkstatt von Jörg Hippe und Tobias Vogler. Die beiden Mechaniker sind sachsenweit Spezialisten für solche Sanierungen von historischen Uhrwerken.
Schrank aus der Holzwerkstatt Wagner
Eine kuriose Geschichte können die Pfarrerin und der Mechaniker noch zum Pendel berichten. Jede Uhr hat nämlich ein speziell für dieses Werk gefertigtes. Doch das Radebeuler Friedenskirche-Uhrpendel war spurlos verschwunden. Selbst ein Aufruf in der Sächsischen Zeitung brachte kein Ergebnis. Die Brockwitzer hatten noch ein Pendel von ihrer Uhr übrig. Aber auch das hätte aufwendig saniert werden müssen.
Schließlich gab es doch noch eine Überraschung. Jemand aus der Gemeinde entdeckte das zur Uhr gehörige Pendel. Annegret Fischer: „Wahrscheinlich wurde es extra auf dem Boden des Turmes versteckt, damit es nicht abhandenkommt.“
Und noch ein Radebeuler hat sich für das Uhrwerk eingesetzt. Thomas Wagner fertigte in seiner Holzwerkstatt an der Vorwerkstraße in Fürstenhain den Schrank für das Werk. Aus seinem Fenster habe er immer einen guten Blick auf die Turmuhr, berichtet die Pfarrerin.

Jörg Hippe hat vor dem Wochenende noch einmal das gesamte Werk geprüft. Die Wellen und Räder sind geschmiert. Das Pendel hat er eingehangen. Und ganz zuletzt setzte er die Zeiger der Turmuhr an den richtigen Zeitpunkt. Das geht auch im Inneren. Dort sind die Zeiger entgegengesetzt zu der Draußen-Ansicht angeordnet.
Am Wochenende lief die Uhr. Wer nach oben schaute, konnte die Zeit ziemlich genau ablesen. Zwei Stunden reicht die Schwerkraft der Gewichte aus, um die Uhr in Gang zu halten. Nach zwei Stunden gibt es einen elektrischen Kontakt und die Gewichte werden wieder nach oben gezogen.
Wenn alles wie geschmiert läuft, dann dürfte die Uhr je Woche nur eine Abweichung von ein bis zwei Minuten haben. Im Moment allerdings (Montagmittag) steht sie wieder. Irgendetwas hakt, sagt Pfarrerin Fischer. Mechaniker Hippe will diese Woche noch kommen. Das sei aber immer so am Anfang der Inbetriebnahme eines praktisch neu funktionierenden Werkes. Alle Teile müssen sich am neuen alten Ort wieder aufeinander einspielen. Es kann auch sein, dass es nicht die letzte Nachjustierung ist, die vorgenommen werden muss, so Jörg Hippe.
In jedem Fall aber sind die Pfarrersleute und die Gemeinde froh, ihre Uhr wieder im eigentlichen Zustand zu haben. Annegret Fischer: „Das war nicht billig zu bekommen. Aber das Werk und die Uhr sind ein überzeitlicher Wert, der über weitere Jahrzehnte nur noch steigen wird.“ Auch die Kenntnisse zu Wartung und Funktionieren des Werks würden so für weitere Generationen bewahrt. Und das mit der feierlichen Einweihung, das wird eben in ruhigeren Zeiten noch nachgeholt.