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Früher war der Pfarrer auch Landwirt

Der Ort ist leicht zu verwechseln. Es gibt zehn Gersdorfs in Sachsen. In der Umgebung Döbelns ist der Ortsname – mit Gersdorf bei Leisnig und Gersdorf bei Roßwein – gleich zweimal vertreten. Die Namensgebung bezieht sich jeweils auf einen Gerhard, der die Dorfgründung vornahm.

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Von Matthias Donath

Der Ort ist leicht zu verwechseln. Es gibt zehn Gersdorfs in Sachsen. In der Umgebung Döbelns ist der Ortsname – mit Gersdorf bei Leisnig und Gersdorf bei Roßwein – gleich zweimal vertreten. Die Namensgebung bezieht sich jeweils auf einen Gerhard, der die Dorfgründung vornahm. Gersdorf bei Leisnig liegt außerhalb des slawischen Altsiedellandes in einer Gegend, die erst durch die deutsche Kolonisation im 12. Jahrhundert erschlossen und besiedelt wurde. Der namengebende Gerhard gehörte vermutlich zu den Dienstmannen der Burggrafen von Leisnig.

Mit der Kolonisation bildete sich auch die Kirchenorganisation heraus. In den größeren Dörfern wurden Pfarrkirchen errichtet. Der Pfarrer erhielt einen Anteil an der Dorfflur, den er zu bestellen hatte. Er bezog einen Großteil seines Einkommens somit aus der Landwirtschaft. Hinzu kamen Geldbeträge und Naturalabgaben, die die Dorfbewohner zu festen Terminen zu entrichten hatten. Das war auch in Gersdorf bei Leisnig so. Neben der Kirche steht das Pfarrgut, das der Pfarrer – neben dem Predigtamt – selbst zu bewirtschaften hatte. 1555 hielt Pfarrer Jakob Eschke auf seinem Hof fünf Rinder, zwölf Schweine und zwei Ziegen. Karl Friedrich Heßler, 1806 bis 1845 in Gersdorf, war der letzte Pfarrer, der das Pfarrgut landwirtschaftlich nutzte. Seitdem sind die zum Hof gehörenden Ackerflächen verpachtet. Zur Ausstattung des Gersdorfer Pfarrlehns gehörten 18 „Pfarrdotalhäuser“, deren Pächter der Gerichtsbarkeit des Pfarrers unterlagen. Die Männer mussten neun, die Frauen sechs Tage im Jahr auf den Feldern des Pfarrers arbeiten und eine bestimmte Menge Garn abliefern. Die Dienstpflichten erloschen erst mit den Agrarreformen des 19.Jahrhunderts.

Die alte Dorfkirche brannte 1608 und noch einmal 1696 ab, doch konnten jeweils Teile der Ausstattung gerettet werden. Drei Schnitzfiguren – eine Maria mit Kind, eine Katharina und eine Barbara – stammen von einem gotischen Altarschrein des frühen 15. Jahrhunderts. Zur Jahrhundertwende an den Sächsischen Altertumsverein abgegeben, werden sie heute im Schlossbergmuseum in Chemnitz in der Ausstellung „Gotische Skulptur in Sachsen“ gezeigt. In Gersdorf verblieb das spätgotische Sakramentshaus aus Rochlitzer Porphyr, das heute in die Ostwand der Sakristei eingemauert ist.

Das jetzige Kirchengebäude wurde 1801 bis 1805 errichtet, nachdem ein Blitzschlag die Kirche so beschädigt hatte, dass ein Neubau unumgänglich war. Drei heute nicht mehr lesbare Inschriften über den Kirchenportalen berichteten davon. Über dem Südeingang stand geschrieben: „Lieber Leser! Betritt diese Stätte mit Ehrfurcht! Sie umschließt den Platz, auf dem ein Gotteshaus stand, welches der Blitz 1744 und 1792 schon beschädigte und den 7. Mai 1801 ganz verheerte. Bete den Herrn an, der seinen Blitz ausbreitet und ihn sein Ziel setzt.“

Verschwundene Inschriften

Die Inschrift über dem Turmeingang besagte, dass am 30.Oktober 1801 der Grundstein gelegt wurde. Die Inschrift über dem Nordeingang, dass der Bau im Frühjahr 1805 vollendet war. Die Bauausführung übernahm Zimmermeister Johann Gottlieb Ilgen, der Pächter der Kriebsteiner Mühle. Man errichtete einen stattlichen Westturm und ein großes rechteckiges Kirchenschiff, das durch hohe Fensterbahnen belichtet wird. In schlichten klassizistischen Formen gehalten, war die Predigtkirche ringsum von zweigeschossigen Emporen umgeben. An der Ostseite stand ein Kanzelaltar. Mit ursprünglich 882 Sitzplätzen war die Gersdorfer Kirche viel zu groß für den kleinen Ort.

Die jetzige Innengestaltung geht auf einen Umbau zurück, den die Gemeinde 1906 durchführte. Man entfernte das obere Emporengeschoss, baute den Kanzelaltar um und stattete die Kirche mit Bleiverglasungen aus. Die Fenster an der Ostwand wurden freigestellt und mit farbigen Glasmalereien geschmückt. 1906 in neobarocker Manier gefertigt, zeigen sie die Taufe Christi und die Emmausjünger, die mit dem auferstandenen Christus das Abendmahl feiern. Anstelle des Kanzelkorbs, der an die Südseite des Altarraums kam, wurde an der leeren Altarwand ein monumentales spätgotisches Kruzifix angebracht. Die Christusfigur, entstanden um 1510, wird dem Zwickauer Bildschnitzer Peter Breuer zugeschrieben. Der Kruzifix stammt aus der Gersdorfer Kirche, war aber an den Leisniger Altertumsvereins abgegeben worden, der ihn an den Ursprungsort zurückbrachte.

2002 begannen umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen. Die Turmhaube wurde mit Kupfer verkleidet, der Außenputz erneuert und das mächtige Dach neu gedeckt. Auch die Kirchendecke musste nach Schwammbefall teilweise erneuert werden. Um Balken auszutauschen, mussten Pfeifen der 1870 von W. E. Schmeisser in Rochlitz gefertigten Orgel ausgebaut werden, was man mit einer Reinigung und Restaurierung des Instruments verband. 2004 wurde die Orgel wieder eingeweiht. Im Turm hängen zwei Glocken, die 1696 in Gersdorf gegossen wurden, ergänzt um eine Bronzeglocke von 1933.

Aktives Gemeindeleben

Obwohl die Gemeinde in den letzten Jahren kleiner geworden ist, zeichnet sie sich durch ein aktives Gemeindeleben aus. Im Gottesdienst, der aller zwei Wochen in Gersdorf stattfindet, singen der Kirchenchor und die Kurrende, im Pfarr- und Gemeindehaus treffen sich Junge Gemeinde, Frauen-, Männer- und Seniorenkreis. Das Pfarrgut ist verpachtet, da der Pfarrer heute keine Landwirtschaft mehr treiben muss.

Er wird von der sächsischen Landeskirche bezahlt, die sich auf den niedriger gewordenen Anteil evangelischer Christen einstellen musste und deshalb 1999 eine Neugliederung der Pfarrbezirke vornahm. Pfarrer Wolfgang Jahn ist nicht nur für Gersdorf, Schönerstädt und Seifersdorf zuständig, sondern betreut auch die Nachbardörfer, die eigentlich zum Pfarrbezirk der Stadtkirche in Hartha gehören. Zudem ist Gersdorf einem größeren Kirchgemeindeverbund angegliedert, der sich drei Pfarrstellen teilt.