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Frühes Industriezentrum entdeckt

Gefunden wurde bei Schleife eine ganze Batterie Brennöfen. Am Standort Neu-Mühlrose stießen Archäologen auf Überraschungen.

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Grabungsleiter Olaf Ullrich zeigt die Drohnenaufnahme mit den Suchstreifen.
Grabungsleiter Olaf Ullrich zeigt die Drohnenaufnahme mit den Suchstreifen. © Foto: Constanze Knappe

Schleife. An die 250 Kilogramm Schlacke kamen bei Ausgrabungen nördlich von Schleife zum Vorschein, Rückstände der Eisenerzgewinnung in frühen Jahrhunderten. Entdeckt wurden Gruben, in denen sich einst Brennöfen befanden. Zum Teil ungeordnet, zum Teil aber auch reihenweise in einer regelrechten Batterie angelegt, sprechen sie für eine industrielle Nutzung. An die 100 solcher Brennöfen fanden Archäologen – auf dem Gelände des Umsiedlungsstandorts, wo Mühlrose neu errichtet werden soll, und auf einer Fläche daneben, wohin der Mühlroser Friedhof umverlegt wird. 200 Meter davon entfernt befand sich am Dorfgraben ein ertragreiches Eisenerzvorkommen. Dass die Schlackereste offenbar ganz gezielt versenkt wurden, ist nach Aussage von Grabungsleiter Olaf Ullrich eine jener Überraschungen, auf welche die Archäologen des Landesamts bei der Untersuchung des Baugrundes stießen.

Beim Lokalisieren half ihnen die moderne Technik. Aufnahmen einer Drohne zeigen Suchstreifen. In dem Bereich habe man Reste von Wölbäckern festgestellt, Spatenspuren aus vorchristlicher Zeit finden können, aber auch Schützenlöcher von Kampfhandlungen der letzten Kriegstage 1945. Dunkle Bodenverfärbungen, die ein Laie wohl nur auf den dritten Blick wahrnehmen würde, deuteten auf die vorgeschichtlichen Gruben. 120 solcher Verfärbungen wurden auf der zwölf Hektar großen Fläche des Umsiedlungsstandorts gefunden, weitere auf dem ein Hektar großen Areal daneben. Alles in allem kamen 550 vorgeschichtliche Gruben zutage – und damit ein frühes Industriezentrum der Oberlausitz. „Das ist deutlich mehr, als wir erwartet hatten“, freut sich Olaf Ullrich.

Er verweist auf sehr gut erhaltene Funde in den Tagebauen Bärwalde, Nochten und bei Trebendorf. Dort, wo zuvor lange Wald war, lagen die Fundstellen recht tief. Nicht so auf der untersuchten Fläche in Schleife. Durch die Beackerung seit Generationen sei manches zerstört worden, sagt der Grabungsleiter ohne Vorwurf. Rückblickend auf die vergangenen Monate sei die Freude aber überaus groß, „mal wieder einen größeren Siedlungsausschnitt“ gefunden zu haben. Denn auf dem Gelände der heutigen Schulbaustelle in Schleife hatte man vor drei Jahren lediglich Brandrodungsstellen, Spuren von Wölbäckern und mittelalterliche Scherbenspuren entdeckt.

Auf dem Baufeld für Neu-Mühlrose kamen Funde aus unterschiedlichen Zeiten zutage. Wie das Urnengrab direkt am Ortsausgang Richtung Groß Düben aus der Zeit um 1 000 Jahre vor Christus. Es enthielt nur ein Gefäß, aber keine Beigefäße. „So ein einzelnes Grab, das ist schon sehr ungewöhnlich“, erklärt Olaf Ullrich. Auch fand man bis zu 1,50 Meter breite kreisrunde Vorratsgruben mit vielen Scherben aus der Jungbronzezeit (800 vor Christus).

Noch einmal besiedelt war die Gegend dann in der Römischen Kaiserzeit (200 n. Chr.). Das belegen sieben Grubenhäuser. Jene eingetieften Behausungen mit Flechtwerkkonstruktionen darüber, die so typisch für die Region waren. In den Ausmaßen von 4,5 mal sieben Metern entdeckte man sie in Schleife. Die Verfüllungen wurden entfernt und die Profilstege freigelegt. Sichtbar wurden drei große Schlackeklötze im Bereich einer Herdstelle sowie „relativ viele Keramikfunde“ aus der Zeit von 200 bis 400 nach Christus. Drehscheibenware, wie Olaf Ullrich einschätzt. Er verweist ebenso auf einen durchlochten Gegenstand einer Hackspindel. Aufregende Metallfunde gab es jedoch nicht.

Wie der Grabungsleiter erklärt, werde die Zeit um 200 bis 400 nach Christus kulturell in den odergermanischen Kontext gesetzt. Die Besiedlung wäre den Burgunden zuzuordnen. Doch da sei Vieles noch in der Diskussion und deshalb nur zu vermuten. Bisher sind 270 Fundstellen in der Ober- und Westlausitz aus jener Zeit registriert, doch nur sehr wenige davon archäologisch untersucht. Auch das mache die Funde in Schleife so bedeutsam. Deren Umfang überraschte selbst die Archäologen.

Im März hatten die Ausgrabungen zwischen Spremberger Straße und Groß Dübener Weg mit Unterstützung der Lausitz Energie Bergbau AG begonnen. Langfristige Vereinbarungen mit dem Landesamt gewährleisten, dass archäologische Zeugnisse der Nachwelt nicht verloren gehen. Den zwei Archäologen gingen fünf Grabungsarbeiter zur Hand. Unter ihnen David Kunz aus Weißwasser. „Es ist immer wieder spannend, was da zum Vorschein kommt“, findet er. Die Schleifer würden auf diese Weise „erfahren, wo ihre Wurzeln sind und können so ihre Geschichte besser nachvollziehen“, fügt er hinzu.

Inzwischen ist das Grabungsfeld beräumt, die Ausgrabung am Montag offiziell beendet. Die Funde wurden gewaschen, akribisch beschriftet und einzeln eingetütet, die Fundstellen fotografiert. Für die Archäologen beginnt der zweite Teil der Sisyphusarbeit: die Dokumentation, um die Ergebnisse detailliert auswerten zu können.