Von Madeleine Siegl-Mickisch
Diesmal läuft der Chefwechsel ganz anders ab als vor zehn Jahren. Damals stand der Oberguriger Landmaschinenbauer Raussendorf plötzlich ohne Führung da. Eine schwere Erkrankung hatte Firmeninhaber Horst Raussendorf aus der Bahn geworfen. Nach Monaten der Ungewissheit war eine Lösung gefunden: Dr. Klaus Weidig übernahm die Geschäfte, obwohl er damals – mit Anfang 60 – eigentlich schon an den Ruhestand dachte. Mittlerweile ist Weidig 71 – und weiß die Nachfolge jetzt geregelt. Ganz einfach war das allerdings nicht, „ich habe anderthalb Jahre gesucht“. Doch nun ist alles geklärt, seit vier Wochen ist Hannes Stefan Hannenheim der neue Chef im Haus.
Vor einem dreiviertel Jahr war er das erste Mal in Obergurig – und hat gleich einen angenehmen ersten Eindruck mitgenommen. „Wir sind uns dann Stück für Stück näher gekommen“, sagt der 55-Jährige. Hannenheims Bruder hat in München ein Unternehmen, das Prüfstände baut, auf denen Bauteile für die Automobilindustrie getestet werden. „Wir haben in Sachsen ein Unternehmen gesucht, das in dieses Portfolio passt“, sagt Hannenheim. Er selbst war bisher in Dresden in der Halbleiterindustrie tätig. „Ich musste erst mal wieder einiges in Erinnerung rufen“, sagt der Ingenieur und Betriebswirt mit Blick auf den Wechsel in eine andere Branche.
Fremd ist ihm der Maschinenbau aber nicht. Er hat Automatisierungstechnik studiert, und zwar in Rumänien. Dort ist Hannenheim aufgewachsen. „Ich bin ein Siebenbürger Sachse“, das ist die deutschsprachige Minderheit in Rumänien. Seine ersten Berufsjahre hat er im Maschinenbau verbracht und in Budapest kurzzeitig auch in einem Unternehmen gearbeitet, das sich mit der Automatisierung von Landtechnik befasste. 1988 siedelte er in die BRD über. Er wurde in Baden-Württemberg ansässig und fasste beruflich in der Halbleiterindustrie Fuß. Berufsbegleitend absolvierte er noch ein Betriebswirtschaftsstudium. 1999 kam er ins Management zu AMD nach Dresden, seitdem lebt er in der sächsischen Landeshauptstadt.
In aller Frühe macht er sich nun jeden Morgen auf den Arbeitsweg nach Obergurig – damit es abends nicht allzu spät wird und er auch seine drei Söhne im Alter zwischen sechs und elf noch sehen kann. „Wenn man neu ist, hat man extrem viel zu lernen.“ Daher sei im Moment eine 60-Stunden-Arbeitswoche an der Tagesordnung. So will er in den nächsten Wochen vor allem die Kunden des Unternehmens kennenlernen. Dass ihm Dr. Klaus Weidig noch als Berater zur Seite steht, darüber ist Hannenheim sehr froh. So sitzen beide im selben Büro.
Das Unternehmen umzukrempeln, hat der neue Geschäftsführer nicht vor. Er hält den von Klaus Weidig eingeschlagenen Weg für richtig und will weiter auf drei Standbeine setzen. Da ist zum einen der Bau von Knüpfern, die in Strohballen- und anderen Pressen zum Einsatz kommen. Auf diesem Gebiet hat das Unternehmen über 100 Jahre Erfahrung. Zudem hat Raussendorf in den letzten Jahren neue Nischen im Bereich des Landmaschinenbaus für sich entdeckt. „Das finden wir interessant und ausbaufähig“, sagt Hannes Hannenheim. So wurden in Zusammenarbeit mit der TU Dresden und weiteren Partnern Spezialfahrzeuge entwickelt, zum Beispiel ein kleiner Traktor für den Einsatz in Baumschulen und ein Obstroboter, der ferngesteuert durch Obstplantagen fährt, um zu düngen oder den Boden zu mulchen. Als drittes Standbein erledigt das Oberguriger Unternehmen auch Aufträge für andere Maschinenbauer.
Rund 50 Beschäftigte arbeiten in der ehemaligen Papierfabrik, in der Raussendorf seit 2005 ansässig ist. Hannenheim gefällt das unter Denkmalschutz stehende Gebäude. „Ich mag alte Häuser.“ So habe er in Dresden selbst eine alte Villa, die noch von Kriegsschäden gezeichnet war, nach historischem Vorbild saniert. Der Oberguriger Standort biete zudem genügend Kapazität, um sich zu erweitern. „Es gibt keinen Grund hier wegzugehen.“ So werden auch in Zukunft Fachkräfte gebraucht. Deshalb bildet das Unternehmen Landmaschinentechniker, Mechatroniker und Facharbeiter für Zerspanungstechnik aus und ist ebenso Partner für das duale Studium an der Berufsakademie.
www.raussendorf.de