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Fünf Minuten für 500 Kilometer

Dresdner Forscher des Fraunhofer-Institut wollen Elektroautos deutlich schneller laden als bisher – von unten. 

Von Jana Mundus
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Elektroautos könnten bald wesentlich schneller aufgeladen werden.
Elektroautos könnten bald wesentlich schneller aufgeladen werden. © Adobe

Nervöser Blick am Lenkrad vorbei auf das blinkende Warnlämpchen. Schafft es das Auto noch zur nächsten Tankstelle? Nach ein paar Kilometern ist endlich eine in Sicht. 

Rausfahren, anhalten, aussteigen – und einen Kaffee trinken. Den Rest macht das Fahrzeug nämlich ganz allein. Nach nur fünf Minuten ist alles erledigt. Die nächsten 500 Kilometer sind damit kein Problem. Doch das Auto hat beim kurzen Stopp nicht Benzin getankt, sondern Strom. Die Batterie ist wieder voll geladen. Durch ein innovatives Ladesystem kommt die Energie superschnell von unten. Was wie eine ferne Zukunftsvision klingt, soll in wenigen Jahren schon Wirklichkeit sein. Am Dresdner Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI wird genau daran gearbeitet. Schon bald soll die Theorie erstmals testweise auf die Straße.

Matthias Klingner hält nichts vom Strippenziehen. Seit 2005 ist er Institutsleiter am Fraunhofer IVI. Elektroautos in Zukunft mit Kabel samt Stecker aufzuladen, sei nicht die Zukunft. „Damit sind nur bis zu 200 Kilowatt Ladeleistung möglich“, erklärt er. Das Problem deshalb: Das Aufladen dauert. Mit dem Hausanschluss in der Garage brauchen Elektroauto-Besitzer um die zehn Stunden dafür. Zwar gibt es heute schon öffentliche Schnellladesäulen, doch auch dort dauert das Stromtanken zwischen einer halben und einer ganzen Stunde. Immer noch zu lange, um das Fahren mit Elektroautos für viele Menschen attraktiv zu machen.

Am Fraunhofer IVI entwickeln Wissenschaftler gerade eine Lösung für das Problem. Das vollautomatische Nachladesystem überwindet die Leistungsbegrenzung herkömmlicher Stecker-Kabel-Verbindungen. Elektrische Autos und Lkws können damit sogar mit 2 000 Kilowatt Ladeleistung aufgeladen werden. Das heißt, mit zehnmal mehr Leistung, als das momentan möglich ist. „Damit könnte auch das gut ausgebaute Tankstellennetz weiter genutzt werden“, wirbt Klingner für die Technologie.

Die Vision: Statt dort an eine Tanksäule zu fahren, halten Autos in Zukunft auf einer speziellen Parkfläche. Die Technik zum Laden befindet sich am Unterboden des Autos. Ganz automatisch wird diese dann über einer Schnittstelle am Boden platziert, verbunden und das Laden beginnt. In fünf Minuten neuer Strom für 500 Kilometer Reichweite. Das ist zeitlich vergleichbar mit dem Benzintanken. „Der Bezahlvorgang könnte ebenfalls automatisch erfolgen“, sagt Klingner. „Zum Beispiel per Tablet.“ Notwendig ist dafür neue Technik, die in Stellflächen an Tankstellen integriert werden müsste. Sie befindet sich in einem kleinen Schacht in rund 70 Zentimeter Tiefe. Die Schnittstelle selbst wird nach oben gefahren, wenn das Auto darüber positioniert ist. Sie erinnert an eine Pyramide, der die Spitze fehlt. Wie bei einem Puzzle befindet sich das Gegenstück an der Unterseite des Autos. Mit nur zwei Kilogramm Gewicht und 2,5 Liter Einbauvolumen sei das künftig in Fahrzeuge gut zu integrieren beziehungsweise nachzurüsten, erklärt der Institutsleiter.

Zwischen zehn und 20 Ladevorgänge pro Stunde wären auf solch einer speziellen Stellfläche an einer Tankstelle künftig möglich. „Unser System ist dabei absolut sicher.“ Durch den vollautomatischen Betrieb kommt der Mensch nicht in Berührung mit den Schnittstellen, über die dann durchaus Stromstärken weit über 1 000 Ampere möglich sein werden.

Am Fraunhofer IVI beschäftigen sich die Wissenschaftler schon seit vielen Jahren mit dem Thema Elektromobilität. Bereits 2005 präsentierten sie die Autotram – einen Bus im Zugdesign. Für den Antrieb waren eine Brennstoffzelle, ein Schwungrad mit Energiespeicher und später auch ein Batteriesystem zuständig. 2012 erregte die Autotram Grand international große Aufmerksamkeit. Diese Weiterentwicklung ist ein dreigliedriger Doppelgelenkbus mit über 30 Metern Länge und Platz für 256 Fahrgäste. Schon zwei Jahre später testeten die Dresdner Verkehrsbetriebe auf der Linie 61 den Edda-Bus des IVI. Der Elektrobus war bereits schnellladefähig. Nach rund 15 Kilometern konnte er in viereinhalb Minuten wieder voll aufgeladen werden. Für die Energieübertragung nutzte er einen Stromabnehmer auf dem Wagendach, der an der Ladestation in Gruna ausgeklappt wurde.

2012 präsentierte das Fraunhofer IVI den 30 Meter langen Elektrobus Autotruck Grand. 
2012 präsentierte das Fraunhofer IVI den 30 Meter langen Elektrobus Autotruck Grand.  © Fraunhofer IVI
Typ Edda hat sein Schnellladesystem auf dem Dach. 
Typ Edda hat sein Schnellladesystem auf dem Dach.  © Fraunhofer IVI
Der Autotruck wird bereits an der Unterseite geladen.. 
Der Autotruck wird bereits an der Unterseite geladen..  © Fraunhofer IVI

„Wir haben die Technologie ständig weiterentwickelt. Der Anfang war der Bus, jetzt kommt das Unterbodenladesystem für Lkws und bald die Weiterentwicklung für den Pkw“, erklärt Matthias Klingner. Mit einem großen deutschen Automobilhersteller wird das Fraunhofer IVI nun zusammenarbeiten, um eine Vorserie des Autotrucks zu produzieren. Der Elektro-Lkw ist vor allem für den Einsatz in Logistikzentren und auf Betriebshöfen gedacht. Dort agieren die speziellen Nutzfahrzeuge in Zukunft vollautomatisch. Sie fahren selbstständig die Laderampe an, warten, bis sie beladen sind, und stellen sich anschließend auf dem Parkplatz ab. Dort kann der Fahrer wieder einsteigen und die Fahrt zum Zielort beginnt. Geladen wird ebenfalls ganz modern von unten.

Wie das schnelle Laden in einigen Jahren auch zu Hause funktionieren kann, darüber haben die Fraunhofer-Forscher ebenfalls schon nachgedacht. Einen Schacht muss dafür niemand in den Boden seiner Garage graben. Die Lösung sollte einfach und kostengünstig sein. Das nun entwickelte System ist eine Platte mit der pyramidenförmigen Ladeschnittstelle, die einfach auf den Garagenboden gestellt wird. Durch den Strom-Hausanschluss ist die Ladeleistung zwar limitiert, schneller als bisher soll es trotzdem gehen. Für eine Reichweite von 600 Kilometern müsste das Auto gut fünf Stunden Strom zapfen. Das ist knapp die Hälfte der Zeit, die momentan noch notwendig ist. Mit dieser Entwicklung für zu Hause wäre die Einführung des Ladesystems auch möglich, wenn Tankstellen noch nicht flächendeckend nachgerüstet haben.

In gut acht Jahren könnte das System gängige Praxis sein, wirbt das Fraunhofer IVI in einem Video. Kabelsalat in der Garage gibt es dann garantiert nicht.