Für 28 Euro von Dresden nach Paris

Das Zugticket war teuer, der nächste Flughafen zu weit weg, außerdem stand kein Auto parat. Doch das Wochenende im belgischen Antwerpen wollte sich Anja Beckmann trotzdem nicht entgehen lassen. Die Reisebloggerin begab sich auf die Suche nach einer schnellen, preiswerten und umweltfreundlichen Alternative. Nach einer kurzen Recherche hatte sie die Lösung: ein Fernbus.
Mit der Bahn hätte Beckmann zweimal umsteigen müssen. Der Reisebus von Flixbus fuhr direkt von ihrem Wohnort Mönchengladbach bis Antwerpen durch – und zwar für nur 20 Euro hin und zurück. Von Dresden aus kommt man ab 28 Euro nach Paris.
Europa mit dem Fernbus erkunden? Für viele klingt das zunächst kompliziert. Vielleicht denkt der eine oder andere noch an eine Jugendreise an die Costa Brava oder zum Balaton zurück. Da saß man dann einen halben Tag im Bus – mindestens. Doch sehr anstrengend.
Tatsächlich sind heute noch viel mehr Ziele im europäischen Ausland gut mit dem Fernbus erreichbar, auch von Sachsen aus. Der Marktführer ist mit Abstand Flixbus – mit einem großen internationalen Streckennetz. Der Anbieter hat im vergangenen Jahr den kleinen Konkurrenten Eurolines übernommen. Von Dresden aus fährt Flixbus unter anderem nach Amsterdam, Paris, Brüssel, Prag, Bukarest oder Zagreb. Von Chemnitz geht es zum Beispiel bis nach Warschau oder sogar ins gut 1.300 Kilometer entfernte Kiew. Daneben relevant sind Blablabus, Deinbus.de, IC Bus von der Deutschen Bahn und Regiojet. In Sachsen können Reisende nur in Leipzig auf Blablabus zurückgreifen. Einige der Reiseziele: Mailand, Turin, Paris, Zürich, Amsterdam. Von Dresden und Leipzig bietet darüber hinaus Regiojet unter anderem Verbindungen in die europäischen Hauptstädte London, Rom und Budapest an.

Die Tickets erhält man am schnellsten online oder per App. Schon von zu Hause aus lassen sich alle Fahrten für die Europareise buchen. Wer lieber spontan entscheidet, wohin es als Nächstes gehen soll, kann auch erst unterwegs buchen. Dann müssen Passagiere aber mit eingeschränkter Auswahl rechnen. Und wer einen günstigen Preis erwischen will, sollte so früh wie möglich buchen.
Noch ein paar Euro lassen sich sparen, wenn man zu eher weniger beliebten Abfahrts- oder Ankunftszeiten bucht, etwa eine Fahrt mit Ankunft in der Nacht. Bei der Buchung zählen aber nicht nur Preis und Abfahrtszeit, sondern auch Fahrdauer und Zahl der Umstiege. Oft sind Strecken mit einer langen Fahrtzeit aufgrund mehrerer Umstiege günstiger als eine Direktverbindung. Von Dresden bis Paris beträgt die Fahrzeit mit der Direktverbindung etwa 14 Stunden. Mit Umstiegen kann die Reise hingegen bis zu 20 Stunden dauern. Ein anderes Beispiel: Nach Amsterdam gehts von Dresden aus ab 22 Euro. Die Direktverbindung braucht gut 11 Stunden. Wer sich fürs Umsteigen entscheidet, ist rund vier Stunden länger unterwegs. Und wer mit dem Flixbus von Chemnitz nach Kiew reisen will, zahlt mindestens 65 Euro. Die direkte Fahrtzeit: 23 Stunden.
Kosten für den Flughafentransfer gespart
Flixbus macht für Europareisen das Angebot „InterFlix“: Für 99 Euro lassen sich fünf Städte in ganz Europa kombinieren, unabhängig davon, wie weit Start- und Zielort voneinander entfernt liegen. Auch der Flixtrain, das Zugangebot von Flixbus, kann genutzt werden. Eurolines bietet zudem diverse Sparpreise, etwa für Studenten und Gruppen. Blablabus deckt ebenfalls Routen in ganz Europa ab, ein spezielles Kombi-Angebot für Europa-Reisen gibt es bislang aber nicht.
Wer sich für einen Fernbus entscheidet, hat unterwegs viel Zeit, den Aufenthalt vor Ort zu planen. In den Bussen gibt es in der Regel Steckdosen und kostenloses WLAN. Bei Flixbus und Blablabus lassen sich vorab kostenpflichtig bestimmte Sitzplätze reservieren. Generell ist aber jedem Passagier ein Sitzplatz garantiert.
Es stimmt natürlich: Viele Reisen mit dem Fernbus dauern lange, gerade im Vergleich zum Flieger. Sie haben aber auch einen Vorteil: „Am Zielort wird man meistens mitten in der Stadt rausgelassen und landet nicht außerhalb am Flughafen“, sagt Beckmann. So spart man die Kosten für den Flughafentransfer. Und gerade Billigflieger steuern oft Flughäfen an, die weit außerhalb liegen.
Ein Europa-Trip mit dem Fernbus hat aber auch seine Nachteile. Zum einen ist zeitliche Flexibilität gefragt. Verspätungen sind recht häufig, weil der Bus immer mal länger im Stau stehen kann.
Auch Fahrgäste gehen verloren
Ein weiteres Problem ist verlorenes Gepäck. „Die meisten Unternehmen zwingen die Passagiere, ihr Gepäck im Frachtraum zu lagern“, sagt Johannes Parwulski, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum. Die Frachträume sind jedoch nicht einsehbar und werden bei Zwischenstopps geöffnet, damit die Aussteigenden ihr Gepäck entnehmen können. Dabei kommt es häufig zu Diebstählen.
Reisende können dann zwar Schadenersatz fordern. Sie müssen aber nachweisen, welche Wertgegenstände sich im Koffer befanden. Daher gilt: Laptop, Kameras und wichtige Dokumente besser gleich im Handgepäck am Platz verstauen. Wenn das Unternehmen bei verlorenem Gepäck eine Entschädigung ablehnt, können Reisende sich an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Nahverkehr wenden. Außerdem gelten in allen EU-Mitgliedsstaaten die Busgastrechte.
Doch nicht nur Gepäck geht verloren, sondern auch Fahrgäste. „Es gibt Fälle, wo Busse nach Pausen ohne alle Passagiere wieder abfahren“, sagt Parwulski. Denn die Busfahrer müssen regelmäßig Stopps einlegen, um ihre Ruhezeiten einzuhalten. In der Zeit kann man sich kurz die Beine vertreten oder auf dem Rastplatz zur Toilette gehen. Die Toilette im Bus wird auf langen Strecken oft gesperrt, weil sie nur eine begrenzte Kapazität hat und während der Fahrt nicht geleert werden kann. „Gerade für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen sind Fernbusreisen nicht unbedingt komfortabel“, sagt Parwulski.
Auch Anja Beckmann musste auf ihrer Fahrt nach Antwerpen eine gesperrte Toilette erdulden. Diese Erfahrung hat ihre künftigen Reisepläne nachhaltig beeinflusst: Sie wird erst einmal nur noch Ziele in der näheren Umgebung mit dem Fernbus bereisen. Ganz oben auf ihrer Liste stehen die Niederlande, Belgien und Frankreich. (dpa/rnw)