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Für ein paar Tage den Kopf frei

Kunst braucht Zeit, ist wie ein Kind, das Schritt für Schritt laufen lernt. Vor dieser Herausforderung stehen jetzt auch die Teilnehmer der zehnten Sommerakademie in Riesa. Seit gestern schaffen sie sich im Haus 2 des Max-Planck-Gymnasiums.

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Von Jörg Richter

Kunst braucht Zeit, ist wie ein Kind, das Schritt für Schritt laufen lernt. Vor dieser Herausforderung stehen jetzt auch die Teilnehmer der zehnten Sommerakademie in Riesa. Seit gestern schaffen sie sich im Haus 2 des Max-Planck-Gymnasiums. Über 120 Hobbykünstler sind hier kreativ, suchen nach Formen und Wegen, sich gestalterisch auszudrücken. „Über 120 Teilnehmer! Das ist die Maximalzahl“, sagt Karin Proschwitz, die Vorsitzende des Kulturfördervereins Riesa. Mehr Plätze seien gar nicht frei gewesen. Zehn Workshops stehen den Sommerakademikern zur Verfügung, ein musikalischer, ein literarischer und acht aus dem Bereich der bildenden Kunst. Dass letztere ziemlich weitgefächert ist und vor allem sich nicht ausgrenzen lässt, beweist auch der Workshop Graffiti. Gut ein Dutzend Jugendliche interessieren sich dafür. Freiwillig drücken sie die Schulbank im Englischzimmer und schauen vor zur Tafel, wo Workshopleiter Christoph Walther ihnen verschiedene Schriftarten beibringt. Sie sind ganz anders als die Krakel, die von Möchtegernsprayern an die Häuserwände geschmiert werden. Sie sind stimmig, vom ersten bis zum letzten Buchstaben. Manch einer der jungen Leute lernt hier erst, was es heißt, ein gutes Graffiti zu zeichnen. Viele Skizzen sind dafür nötig, aber auch die richtige Technik.

Das gesprühte Bild an der Schulaußenwand muss als Versuchsobjekt herhalten. Seine Konturen werden aufgefrischt und nachgezeichnet. „Die Leute müssen sich ja erst mal an einer Vorgabe ausprobieren und ein Gefühl für die Farbdose bekommen“, erläutert Christoph Walther. Erst in den nächsten Tagen geht es dann in die Praxis. An der 3. Mittelschule in Weida wartet bereits eine graue Wand.

Dass eine gewisse Grundkenntnis an Techniken von Nöten ist, um aus Ideen Kunst zu machen, das wissen auch Heidi Rosenkranz und Barbara Gräfe. Die beiden Radebeulerinnen haben sich für den Zeichenkurs „Gestaltendes Naturstudium – Die menschliche Figur“ eingeschrieben. Der Maler Bernd Gruhle aus Zschaiten leitet ihn. Für Heidi Rosenkranz ist das ein Hauptgrund, wieder dabei zu sein. „Denn wann hat man schon mal die Chance, einen so guten Mentor zu haben“, sagt sie, greift zum Pinsel und malt sich erst einmal „warm“. Nach und nach entsteht so ein Landschaftsbild, das sie einer Bleistiftskizze nachempfindet, die sie im Urlaub auf Kosika fix zu Papier gebracht hat. Die Farben entstammen ihrem Gedächtnis. Sie sind warm und blass zugleich. Mit jedem Strich wächst das Bild, beginnt es, von der französischen Insel zu erzählen.

Beide Frauen waren schon mehrmals bei der Sommerakademie in Riesa. „Es ist schön, sich für ein paar Tage den Kopf frei halten zu können“, sagt Heidi Rosenkranz. Jede einzelne Minute würde sie auskosten und genießen. Barbara Gräfe pflichtet ihr bei. Beizeiten streicht sie diese besondere Woche im Kalender rot an. „Meine gesamte Urlaubsplanung ist darauf abgestimmt“, verrät die Wirtschaftskauffrau. Wie viele Bilder sie diesmal malen will, behält sie für sich. „Darauf sollte man sich nicht festlegen, sonst artet es in Stress aus.“ Und der würde einschränken. Doch Kunst will frei sein...