Von Carsten Gäbel
Freitag morgen, halb sechs unter der Eisenbahnbrücke am Dresdner Hauptbahnhof. Im Licht der Straßenbeleuchtung stehen zwei weiße Doppeldeckerbusse am Straßenrand. Beide Fahrzeuge sind fast voll, und wer jetzt, fünf Minuten vor der Abfahrt, noch kommt, muss sich erst eine Weile umschauen, um noch einen freien Sitzplatz zu finden. Vor den Bussen gehen Fahrer und andere Angestellte des Busunternehmens Taeter Tours auf und ab. Die zur Connex-Gruppe gehörende Firma eröffnet zusammen mit dem Breslauer Verkehrsunternehmen PKS seine täglich verkehrende Buslinie von Dresden nach Breslau.
Hin- und Rückfahrt kosten zur Feier des Tages zusammen nur zehn Euro, der reguläre Fahrpreis soll für eine Strecke bei 19 Euro liegen. „Wir hätten heute noch einen Bus mehr einsetzen können, aber nach 120 Anmeldungen haben wir Schluss gemacht, um den Überblick zu behalten“, sagt Rainer Dietze begeistert. Der Betriebsleiter von Taeter Tours begleitet die erste Fahrt. Bevor er in den Bus einsteigt, gibt er einem Kamera-Team noch ein Interview. Trotz der frühen Tageszeit ist der Betriebsleiter aufgekratzt: „Wir freuen uns sehr über den Ansturm“, sagt er und man sieht ihm an, dass er das ehrlich meint. Im Bus Nummer eins greift sich Dietze das Mikrofon. Auf eine kleine Ansprache zur ersten Fahrt will er nicht verzichten und so referiert er fünf Minuten lang über das Zusammenwachsen Europas und die Osterweiterung. Dazu gehöre natürlich auch eine Direktverbindung von Dresden nach Breslau. Irgendwo im hinteren Teil des oberen Decks tönt eine Männerstimme laut: „Können wir endlich losfahren.“ Dietze redet weiter, er hat den Mann nicht gehört. Die Doppeldecker fahren schließlich mit acht Minuten Verspätung ab.
Monica Scheuermann hat es sich mit ihrem Mann bequem gemacht. Vor ihr liegt ein Häufchen Eierschalen. Ihre Verpflegung während der viereinhalb Stunden Busfahrt ist gesichert. „Wir haben aus der Zeitung von diesem Schnäppchen erfahren. Das ist eine gute Gelegenheit, um das Nachbarland kennen zu lernen“, sagt die Rentnerin. In Breslau will das Ehepaar eine Stadtrundfahrt machen.
Die Busse halten in Dresden noch am Bahnhof Neustadt sowie am Flughafen. An beiden Stationen steigen nur einige wenige Passagiere zu. Der Haltepunkt am Flughafen ist vor allem für Polen aus der Umgebung Breslaus gedacht, die über den Flughafen Dresden in den Urlaub fliegen wollen. Heute sind nur deutsche Fahrgäste an Bord. Unter diesen sammelt Taeter-Tours-Mitarbeiterin Petra Imhof jetzt Zehn-Euro-Scheine ein und macht Häkchen auf der Passagierliste. Ein bisschen erinnert die Szenerie an eine Klassenfahrt – auch wenn die meisten Fahrgäste mitten im dritten Lebensalter stehen.
Kurz nach dem Flughafen knackt das Mikrofon. Busfahrer Detlef Schiebold stellt sich vor und versucht das seine, um zur Klassenfahrt-Atmosphäre beizutragen. „Sagen Sie Bescheid, wenn die Musik zu laut oder zu leise ist. Für den kleinen Hunger oder Durst bieten wir Ihnen Kaffee und Bockwurst an.“ Dann stellt er das Radio zielgruppenbewusst auf MDR 1 – Radio Sachsen ein. „Gib mir die Hand, nur mit dir will ich leben“, tönt ein Schlager getragen und ein bisschen zu laut aus den Bordlautsprechern über den Sitzen. So schaukelt der Bus auf der A4 Richtung Görlitz. Die Musik macht Unterhaltungen so lange mühsam, bis ein älterer Herr in einem blauen Pullunder sich beim Busfahrer über die Lautstärke beschwert.
In Görlitz fahren die Busse kurz von der Autobahn ab, um am Hornbach-Baumarkt zum letzten Mal Fahrgäste aufzunehmen. Wieder sind es nur ein paar. „Wir haben überlegt, nach Görlitz reinzufahren, wollten aber nicht so viel Zeit verlieren. Zum Hornbach-Baumarkt kommt man ja auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln“, hatte Taeter-Tours-Geschäftsführer Jochen Kirmse gesagt, als er der Presse die Busverbindung vorgestellt hatte. Der Schlosser Dirk Neumann ist Görlitzer und hat sich einen Tag freigenommen, um sich mit seiner Frau Breslau anzuschauen. „Ich finde schon, dass es zur Haltestelle ein bisschen weit ist. Aber heute ist man ja motorisiert. Da geht das“, gibt er knapp seine Meinung zur Kenntnis. Wie man mit dem Bus zum Hornbach-Baumarkt kommen könnte, weiß er nicht.
In Ludwigsdorf halten die Busse kurz an der Grenze. Ein deutscher und ein polnischer Zollbeamter gehen durch die Reihen und schauen sich die Personalausweise an. „Dzien dobry“ – „Guten Tag“, sagt Elke Schöne etwas schüchtern zu dem polnischen Zöllner, ohne dass der es hört. Die selbstständige Buchhalterin aus Großhennersdorf lernt Polnisch an der Volkshochschule in Zittau. „Ich dachte mir, wenn ich zehn Kilometer von der Grenze entfernt wohne, sollte ich schon einige Worte Polnisch sprechen“, sagt sie im besten Lausitzer Dialekt. Als sie in der Zeitung von der Busfahrt las, nahm sie sich extra einen freien Tag, um ihre neu erworbenen Sprachkenntnisse auszuprobieren und Breslau einen Besuch abzustatten.
Das kommt zweieinhalb Stunden später auch in Sicht. Alle halten noch einmal kurz den Atem an, als die Busse langsam unter einer besonders niedrigen Brücke durchrollen. Dann fahren sie langsam auf den völlig zugeparkten Busbahnhof. „Busfahrer möchte ich nicht sein“, sagt Elke Schöne. „Pünktlich wie die Maurer“, sagt Detlef Schiebold ins Mikrofon. Und: „Um 18 Uhr 30 am Bahnsteig vier.“