Von Anja Weber und Christian Spahr
Jeden zweiten Tag geht der Sebnitzer Berndt Mach an den Jobcomputer in der Agentur für Arbeit. Angebote gibt es dort genügend. Für einen neuen Job wäre der 57-jährige auch nach München oder Hamburg gezogen. Und er hat sich fleißig beworben. „Doch immer wenn ich dort angerufen habe, wurde ich nach dem Alter gefragt. Und da war Schluss“, sagt er. Das sei schon frustrierend. Die guten Wünsche, die ihn am anderen Ende der Leitung öfters übermittelt wurden, hörten sich an wie Hohn.
Während andere in seinem Alter oft vor Qualifizierungen zurückschrecken, hätte er sich auch noch einmal auf die Schulbank gesetzt und gelernt. „Ich bin seit 1998 arbeitslos. Und man fühlt sich wirklich nicht gut dabei“, sagt er. Doch als alle seine Bemühungen scheiterten, kam er letztlich zu dem Schluss: Für die Arbeitgeber bin ich zu alt. Und Berndt Mach ist da kein Einzelbeispiel.
Das Alter, bedauert Arbeitsagentur-Chef Klaus-Peter Hansen, ist mit die größte Hürde auf dem Arbeitsmarkt (siehe Interview). Über 50 zu sein, sei ein ebenso großes Handicap wie eine fehlende Berufsausbildung oder mangelhafte Deutschkenntnisse. Zu Unrecht, finden die Arbeitsvermittler. Viele Arbeitgeber trauen offensichtlich reiferen Bewerbern nichts mehr zu. Das sagt auch Petra Timm von der Zeitarbeitsfirma Randstad, die unter anderem in Dresden und Freital Filialen hat. „Unsere älteren Mitarbeiter können eingesetzt werden wie andere auch“, betont die Pressesprecherin, „sie verlangen gar keine Sonderstellung.“ Ältere Arbeitskräfte, die von einer Zeitarbeitsfirma kämen, würden eher genommen als andere Kandidaten – weil sich die Firmen nicht langfristig binden müssen. Insgesamt seien die Firmenchefs aber „sehr zögerlich“ bei Bewerbern ab 50, bestätigt Timm. Das musste auch Brigitte Ziesche aus Neustadt erfahren. Die 56-jährige war bei Fortschritt. Mit der Übernahme durch Case wurde sie entlassen. Ein Schicksal, das sie mit vielen Neustädtern, Sebnitzern, Hohwaldern, Hohnsteinern teilen musste. Eine neue Chance gab es für sie bislang nicht. Genau 76 Bewerbungen hat sie geschrieben. „Ich bekam nur Absagen. Da fällt man schon in ein Loch. Fühlt sich unnütz“, sagt sie. Einen neuen Arbeitsplatz hat sie noch nicht gefunden. Nun überlegt Brigitte Ziesche, ob sie sich vielleicht doch noch einmal selbstständig machen soll.
Ein 57-jähriger Stolpener hat da mit seinem Arbeitgeber in der Natursteine GmbH bei Günter Binjaschewitz mehr Glück. Am Montag darf der Langzeitarbeitslose dort wieder arbeiten. In dieser und auch im Steinmetzbetrieb von Angela Binjaschewitz ist das keine Seltenheit. „Unter-50-Jährige stelle ich gar nicht erst ein“, sagt die Chefin. Zum einen bekommt sie für über 50-Jährige eine Förderung vom Amt. Das hilft angesichts der hohen Lohnnebenkosten, die die Unternehmen zahlen müssen. Zum anderen haben Ältere viel mehr Erfahrung. „Sie kommen pünktlich, gehen nicht vor Feierabend und trödeln auch nicht rum“, sagt Angela Binjaschewitz. Und vor allem: „Die Älteren sehen die Arbeit, Jüngere meist nicht.“ Auch Christine Herold von den Sebnitzer Polstermöbeln sieht keinen Grund, über 50-Jährige nicht einzustellen. „Sie haben Erfahrung und wenn es fachlich passt, warum nicht“, sagt sie. Solches Glück hatte Berndt Mach bislang nicht. Aber er gibt sich deshalb auch nicht auf. „Ich habe meinen Tagesablauf eben so gestaltet, dass ich trotzdem viel zu tun habe“, sagt er. So engagiert sich der 57-jährige, wo es nur geht. Er ist Wehrleiter bei der Ortsfeuerwehr in Schönbach. Am Amtsgericht in Pirna ist er als Jugendschöffe tätig. Mit der Seniorengruppe geht er wandern und seit Neuestem sorgt er innerhalb der Aktion 55 für einen sicheren Schulweg der jüngsten Sebnitzer. „Das Wichtigste ist aber, dass man den Humor nicht verliert.“