Herr Sperlich, in welcher Funktion sind sie wann tätig gewesen?
Ich bin jetzt 88 Jahre alt. Von 1965 bis 1972 war ich Bürgermeister der Stadt Zittau und danach bis 1990 Bürgermeister im Kurort Jonsdorf.
Welche Städtepartnerschaften sind in ihrer Zeit entstanden?
Ich habe mich für den Abschluss von Städtepartnerschaften eingesetzt, so wie andere Bürgermeister das auch versucht haben. Wir haben aber kaum Unterstützung von der damaligen Staatsführung erhalten. Trotzdem kam es zwischen 1967 bis 1969 zu einer Städtepartnerschaft mit der Stadt Koulikoro in Mali. Später gab es eine Partnerschaft mit Pistoia in Italien sowie einigen Städten in der BRD, die aber nie so richtig in Gang gekommen sind.
Wie kam es zur Städtepartnerschaft mit Koulikoro in Mali?
Die Regierung von Mali hat im Berliner Außenministerium nach Partnerstädten gesucht, das Ministerium hat uns vermittelt. Wofür haben sich die Einwohner von Mali damals interessiert?
1967 kam die erste Delegation nach Zittau, ein Jahr später die zweite. Die Gäste aus Mali interessierten sich für die Infrastruktur, die Arbeit des Stadtrates und die Erziehung der Jugend. Wir haben ihnen umfangreiche Dokumente bereitgestellt. Die Besuche zeichneten sich durch große gegenseitige Herzlichkeit aus. Wir haben darauf geachtet, die Gäste nicht zu bevormunden. Der Bürgermeister von Koulikoro hat mich dann nach Mali eingeladen.
Sind sie zu einem Gegenbesuch in Koulikoro gewesen?
Ja, ich war selbst ganz erstaunt, dass ich 1969 die Genehmigung bekam, nach Afrika zu fliegen. Gemeinsam mit dem Bürgermeister von Riesa flog ich nach Bamako.
Welche Eindrücke und Erlebnisse haben sie mitgebracht?
Zunächst waren wir völlig überrascht, als wir bei der Ankunft auf dem Flughafen mit militärischen Ehren empfangen wurden. Der Bürgermeister von Koulikoro hatte sich die Ehrengarde bei seinem Präsidenten ausgeliehen. So haben wir die Ehrenfront abgeschritten. Während des Besuches haben wir ein neues Fleischwerk besichtigt und sehr viel Armut gesehen. Die ernsten Widersprüche im Land sind uns nicht verborgen geblieben, so sagten uns die Menschen, dass die Politik der Regierung verändert werden muss. Der Aufenthalt wurde vorzeitig beendet, weil es zu einem Putsch kam. Plötzlich standen wir unter Hausarrest und wurden bis zur Abreise bewacht. So hat die Konterrevolution die kurze Städtepartnerschaft beendet.
Worum ging es bei den Städtepartnerschaften in dieser Zeit?
In erster Linie haben wir kommunalpolitische Erfahrungen weitergegeben und uns mit den Vertretern aus den Partnerstädten ausgetauscht.
Sind nach ihrer Ansicht Städtepartnerschaften heute noch zeitgemäß?
Zusammenarbeit ist meiner Meinung nach dringend notwendig und sollte in vielfältiger Form stattfinden, nur so können beide Seiten voneinander lernen.
Gesprach: Mario Heinke