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Fußballverrücktes Schönfeld

Einen Kickerverein hat die Gemeinde zwar nicht – dafür aber leidenschaftliche Autogrammsammler und Edel-Fans.

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© Andreas Weihs

Von Manfred Müller

Linz. Vor dem Unterschriftenjäger Hans-Joachim Weigel ist kein prominenter Fußballer sicher. „Das brauch ich als Ausgleich für die Mühen meines Amtes“, erklärt Schönfelds Bürgermeister. In grünen Mappen hat er mit signierten Mannschafts- und Spielerfotos die Historie der Bundesligavereine akribisch dokumentiert. Wenn Weigel in den Urlaub fährt oder Verwandte besucht, legt er die Strecke extra so, dass er sich mit den alten Fußballhelden treffen kann. Manchmal steht er auch unangemeldet vor der Tür eines ehemaligen Ligaspielers und drückt ihm einen Filzstift in die Hand. Die meisten fühlen sich trotz des Überfalls geschmeichelt und signieren. Denn der Schönfelder hat über die Jahrzehnte ein unglaubliches Hintergrundwissen angehäuft. Er kennt den Verlauf der Spielerkarrieren und auch diese oder jene Anekdote, mit der er die überraschten Ex-Kicker auftauen kann. Besonders die alten Helden der WM-Geschichte haben es Weigel angetan. Die meisten von ihnen hat er schon aufgespürt, um sich mit ihnen ablichten zu lassen. Uwe Seeler, Sepp Maier, Rudi Völler, Kaiser Franz und Gerd Müller – Hans-Joachim Weigel hat mit allen schon für ein Erinnerungsfoto posiert. Mit Alt-Bundestrainer Helmut Schön führte er bereits zu DDR-Zeiten einen regen Briefwechsel. Und Alfred „Adi“ Preißler, der Kapitän der Dortmunder Meisterelf aus den Fünfzigern, wurde sein enger Freund.

Treffen mit Torwartlegende

Vor einigen Tagen hat sich der fußballverrückte Bürgermeister mit Wolfgang Kleff getroffen, dem Torwart der legendären Mönchengladbacher Borussia aus den 1970er Jahren. Kleff war unter Trainer Hennes Weisweiler jahrelang ein starker Rückhalt für die Stars Berti Vogts und Jupp Heynckes. Er wurde in die Nationalmannschaft berufen, kam aber nie am Bayern-Torhüter Maier vorbei. „Der Mann trägt nicht umsonst den Spitznamen ‚Otto‘, erzählt Hans-Joachim Weigel. „Es war eine sehr humorvolle Plauderei.“ Kleff sah in jungen Jahren nicht nur aus wie Spaßkanone Otto Waalkes, die beiden verbindet auch eine herzliche Freundschaft. Der Mönchengladbacher bekam sogar kleine Rollen in den Filmen des norddeutschen Witzbolds. Wolfgang Kleff betreibt mit seinen fast 70 Jahren noch eine Fußballschule, mit der er durch die Lande reist. „Er war sehr interessiert, auch mal in unsere Gegend zu kommen und einen Lehrgang für Nachwuchsfußballer zu veranstalten“, erzählt Weigel. Schönfeld hat zwar keinen Fußballverein im Wettkampfbetrieb, aber der Bürgermeister will mal nachfragen, ob man sich so etwas im benachbarten Lampertswalde vorstellen kann.

Ein prominenter Borusse in seiner Heimatgemeinde – das würde Frank Becker aus dem Schönfelder Ortsteil Linz gut gefallen. Der 71-Jährige ist eine Art Mönchengladbacher Edel-Fan – und das seit Jahrzehnten. „Wir haben uns in den 60er Jahren extra Alustäbe aus Dresden geholt, damit wir eine Westantenne bauen und damit Bundesliga gucken konnten“, erinnert er sich. Leider habe das nicht fürs ZDF-Sportstudio gereicht, weil auf dessen Frequenz immer das Tschechen-Fernsehen durchdrückte. Ursprünglich Bayern-Fan, schwenkte Becker mit dem Wechsel von Trainer Weisweiler auf die Borussia um. „Das ist eine bodenständige und ehrliche Mannschaft, die auf den eigenen Nachwuchs setzt“, sagt er.

Keine Retortentruppe

„Keine Retortentruppe wie RB Leipzig“. Frank Becker hat den Mönchengladbachern seit damals die Treue gehalten – erst am Fernseher, später auch zu Pokalspielen im Osten und bei Besuchen im berühmten Bökelberg-Stadion. Sein Einfamilienhaus ist mit einem „Bökelberg“-Schild verziert, und über der Garage hängt eine große Tafel mit Fan-Bekenntnissen. Dort fachsimpelt der Linzer gern mit seinem fußballbeschlagenen Bürgermeister. Sollte es nicht klappen, Wolfgang Kleff mit seiner Fußallschule herzuholen, hat Hans-Joachim Weigel noch ein anderes Highlight in der Hinterhand. Zur 800-Jahrfeier im nächsten Jahr will er prominente Dynamo-Kicker nach Schönfeld einladen. Eine Podiumsdiskussion mit Klaus Sammer, Peter Kotte und vielleicht sogar Trainer-Legende Ede Geyer – bei Weigels Verbindungen zur Fußball-Szene sollte das kein Problem sein.