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„Ohne Ausländer schaffen wir es nicht“

Dehoga-Chef Axel Klein über den Personalmangel in Dresdner Lokalen und warum die Wirte nicht mehr Lohn zahlen. 

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In allen gastronomischen Berufen fehlen Auszubildende und Mitarbeiter. Derzeit gibt es 400 Ausbildungsvertragsabschlüsse pro Jahr in Dresden, vor ein paar Jahren waren es noch 1.600.
In allen gastronomischen Berufen fehlen Auszubildende und Mitarbeiter. Derzeit gibt es 400 Ausbildungsvertragsabschlüsse pro Jahr in Dresden, vor ein paar Jahren waren es noch 1.600. © Dietmar Thomas

Herr Klein, das Lingner-Restaurant im Hygiene-Museum macht zu, und das Schloss Eckberg schließt sein Restaurant einen Tag pro Woche. Wie schlimm ist die Lage?

Sie ist dramatisch, der Fachkräftemangel in allen Bereichen ist immer noch unser Problem Nummer eins. Noch dazu kommt das unflexible Arbeitszeitgesetz.

Was heißt das konkret?

In allen gastronomischen Berufen fehlen Auszubildende und Mitarbeiter. Derzeit haben wir 400 Ausbildungsvertragsabschlüsse pro Jahr in Dresden, vor ein paar Jahren waren es noch 1.600. Die Wirte kämpfen mit dem Arbeitszeitgesetz. Dieses erlaubt den Unternehmern, ihre Mitarbeiter acht, in Ausnahmefällen zehn Stunden am Tag arbeiten zu lassen. Ihnen bleiben also zwei Varianten: die Öffnungszeiten zu reduzieren oder Schließtage einzuführen.

Wo sehen Sie die Ursachen für den Fachkräftemangel?

Im demografischen Wandel. Es wurden einfach weniger Kinder geboren.

Das kann nicht der einzige Grund sein...

Die „Work Life Balance“ hat an Bedeutung gewonnen. Immer weniger junge Menschen haben Lust am Abend, am Wochenende und an Feiertagen zu arbeiten. Das sehen wir ja auch bei den Bäckern oder im Pflegedienst. Viele suchen ihre berufliche Perspektive in anderen Bundesländern oder im Ausland. Und das Image der Branche ist immer noch schlecht.

Sie meinen das Vorurteil, vom tellerschmeißenden Küchenchef, der seine Azubis anbrüllt?

Genau, dabei sind diese Ausbilder sehr selten geworden. Junge Menschen erwarten eine Kommunikation auf Augenhöhe und einen vernünftigen Umgangston.

Was haben Sie als Verband getan, damit wieder mehr Menschen Koch und Kellner werden wollen?

Wir haben mit dem Azubi-Dinner eine Aktion für Jugendliche und Eltern gestartet. Dies soll das Image des Gastgewerbes verbessern. Wir müssen den jungen Menschen klarmachen, dass eine Ausbildung genauso wertvoll wie ein Studium ist und man schnell aufsteigen kann. So mancher Hotelchef ist den Weg über eine duale Ausbildung gegangen. Als Zeichen der Wertschätzung haben wir gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) die Facharbeiterzeugnisse feierlich übergeben.

Wäre mehr Geld nicht eine bessere Motivation als eine Zeugnisübergabe?

Eines möchte ich klar sagen: Am Geld liegt es nicht. Denn in der Gastronomie wird nicht so schlecht bezahlt, wie es die landläufige Meinung vielleicht sein mag.

Viele Köche und Kellner bekommen Mindestlohn, gut leben kann man davon nicht....

Viele Unternehmer zahlen bereits jetzt deutlich über Mindestlohn. Die Entlohnung variiert natürlich zwischen Stadt und Land. Bei den Köchen werden höhere Löhne gezahlt als im Servicebereich. Dafür gibt es jedoch das steuerfreie Trinkgeld. Einige Ausbildungsbetriebe bieten ihren Azubis zum Lehrlingsgeld weitere Anreize wie Tablets und Weiterbildungen an.

Reicht das denn aus, um sich gegen Berufe wie Bankkaufmann, die deutlich besser bezahlt werden, durchzusetzen?

Jeder interessiert sich für andere Dinge und nicht jeder will bei der Bank arbeiten. Die Gastronomie ist sehr abwechslungsreich, bietet ein direktes Feedback und man kann schnell aufsteigen, wenn man gut ist.

Aber warum bezahlen die Gastronomen ihren Leuten nicht mehr?

Viele würden gern mehr zahlen, können aber nicht, weil die Kalkulation es nicht hergibt. Alle Kosten sind stark gestiegen. Personalkosten liegen heute bei rund 40 bis 45 Prozent. Miete und Kosten für Lebensmittel steigen auch immer weiter. Viele Gäste sind nicht bereit, die Preise zu zahlen, die erzielt werden müssen, um wirtschaftlicher zu arbeiten.

Ist denn nicht auch die Zuwanderung eine Chance im Kampf gegen den Personalmangel?

Auf jeden Fall. Ohne ausländische Fachkräfte schaffen wir es nicht. Wir brauchen ganz dringend Menschen, die im Dienstleistungsgewerbe arbeiten möchten.

Was tun Sie, damit Migranten eine Chance bekommen?

Bereits jetzt arbeiten wir eng mit dem Jobcenter und „Arbeit und Leben“ zusammen. Dies allein wird jedoch das Problem nicht lösen. Aktuell haben wir ein Projekt mit vietnamesischen Azubis auf die Beine gestellt. Zehn Azubis aus Vietnam arbeiten bereits in Dresden. Das wollen wir weiter ausbauen. So findet im September das erste Netzwerktreffen Vietnam statt.

Axel Klein, Chef des Gaststätten-Verbandes Dehoga, beobachtet seit vielen Jahren die Entwicklung. 
Axel Klein, Chef des Gaststätten-Verbandes Dehoga, beobachtet seit vielen Jahren die Entwicklung.  © Christian Juppe

Was wünschen Sie sich von der Stadt als Hilfe bei der dramatischen Lage?

Ein Problem ist immer wieder die Vereinbarkeit von Job und Familie in der Gastronomie. Wir setzen wir uns für eine Kita ein, die abends bis 22 Uhr auf hat und auch am Wochenende öffnet. Hier brauchen wir Unterstützung von der Stadt. Überschüsse aus der Beherbergungssteuer wären hier touristisch besser eingesetzt als für eine Beschallungsanlage im Kulturpalast.

Sie sprachen vom schlechten Image, wie wollen Sie das aufpolieren?

Mit dem Projekt der Mini-Köche führen wir die Jüngsten ans Kochen heran und beziehen die Eltern ein. Wir gehen mit Ganztagesangeboten in die Schulen. Außerdem organisieren wir jährlich die sächsischen Jugendmeisterschaften im Gastgewerbe. Wir sind gemeinsam mit unseren Mitgliedern auf Berufsmessen, beispielsweise auf der Karrierestart.

Warum wollen Sie denn die Eltern erreichen? Entscheiden die Jugendlichen nicht selbst, was sie lernen wollen?

Die Eltern haben viel mehr Einfluss auf die Entscheidung, als viele denken, und reden viel mit bei der Entscheidung. Viele denken: Nur wenn mein Kind studiert, wird es glücklich. Die duale Ausbildung hat nicht den Stellenwert, der ihr zusteht. Auch das Thema Arbeitszeiten erzeugt bei Eltern eine Abwehrhaltung, wenn sich die Kinder für eine Ausbildung im Gastgewerbe interessieren.

Das Interview führte Julia Vollmer.