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Gauck übt scharfe Kritik an Erdogan

Bei seinem Staatsbesuch in der Türkei spricht der deutsche Bundespräsident die politische Entwicklung in der Türkei an – und nennt sie erschreckend.

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Ankara. Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat Bundespräsident Joachim Gauck die türkische Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert. Vor Studenten der Technischen Universität in der türkischen Hauptstadt Ankara sprach Gauck gestern von einer „Gefährdung der Demokratie“. Er beobachte mit Sorge Tendenzen, den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung zu beschränken. „Ich gestehe: Diese Entwicklung erschreckt mich – auch und besonders, wenn Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden.“

Erdogan steht seit bald einem Jahr international in der Kritik. Die landesweiten Gezi-Proteste, die vor rund elf Monaten begannen, ließ er mit massiver Polizeigewalt niederschlagen. Auf Korruptionsermittlungen reagierte er mit der Versetzung zahlreicher Polizisten und Staatsanwälte. Mit der AKP-Mehrheit im Parlament wurden Gesetze zur schärferen Kontrolle des Internets und zur Ausweitung der Befugnisse des Geheimdienstes MIT verabschiedet.

Gauck sagte weiter: „So frage ich mich heute und hier, ob die Unabhängigkeit der Justiz noch gesichert ist, wenn die Regierung unliebsame Staatsanwälte und Polizisten in großer Zahl versetzt und sie so daran hindert, Missstände ohne Ansehen der Person aufzudecken.“ Ebenso sei zu kritisieren, wenn eine Regierung Urteile in ihrem Sinn beeinflussen will.

„Als Demokrat werde ich dann meine Stimme erheben, wenn ich den Rechtsstaat in Gefahr sehe – auch wenn es nicht der Rechtsstaat des eigenen Landes ist“, sagte Gauck weiter.

Zum offiziellen Auftakt seines Staatsbesuchs in der Türkei war Gauck in Ankara von Staatschef Abdullah Gül mit militärischen Ehren begrüßt worden. Nach einem Gespräch der beiden Präsidenten traf Gauck auch mit dem zunehmend umstrittenen Regierungschef Erdogan zu einem Mittagessen zusammen. Heute fliegt er nach Istanbul weiter. (dpa)