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Zeithainer Gedenkfeier im Corona-Modus

Vor 75 Jahren wurde das Kriegsgefangenenlager Zeithain befreit. Viele Gäste wollten zur Kranzniederlegung kommen und durften nicht.

Von Jörg Richter
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Auch Vertreter der Bundeswehr salutierten stumm im Ehrenhain Zeithain.
Auch Vertreter der Bundeswehr salutierten stumm im Ehrenhain Zeithain. © Sebastian Schultz

Zeithain. Es sollte eine der größten Veranstaltungen 2020 in der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain werden. Denn am 23. April vor 75 Jahren wurde das hiesige Kriegsgefangenenlager durch die Rote Armee befreit. Rund 100 Nachfahren von Soldaten, die hier eingesperrt waren bzw. starben, hatten sich für die Gedenkfeier angemeldet. 

"Die meisten Nachfragen kamen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion", sagt Ehrenhain-Pressesprecherin Nora Manukjan. Aber auch aus Italien, Frankreich und England wollten Angehörige nach Zeithain kommen. "Für sie und für uns ist es tragisch, dass es nicht zu der Begegnung kommt." Denn die öffentliche Gedenkfeier musste wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. 

Gedenkstättenleiter Jens Nagel legte einen Kranz nieder.
Gedenkstättenleiter Jens Nagel legte einen Kranz nieder. © Sebastian Schultz

So wird es in diesem außergewöhnlichen Jahr wohl weltweit vielen Veranstaltungen gehen, auf denen dem Ende des Zweiten Weltkrieg vor 75 Jahren gedacht werden soll. Auf eine kleine Zeremonie wollten die Mitarbeiter des Ehrenhains dann aber doch nicht verzichten. 

Am Donnerstagvormittag fanden Kranzniederlegungen in der Gedenkstätte, auf den sowjetischen Friedhöfen sowie am Gedenkort für den ehemaligen italienischen Soldatenfriedhof Jacobsthal statt. Neben der Landtagsvizepräsidentin Andrea Dombois (CDU) waren Vertreter der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Zeithains stellvertretender Bürgermeister Dieter Wamser sowie diplomatische Vertreter der Russischen Föderation anwesend. Zudem hatten  Angehörige ehemaliger Kriegsgefangener Geld für Blumen gespendet, die stellvertretend von Mitarbeitern der Gedenkstätte an den betreffenden Namenstafeln der Opfer niedergelegt wurden.

Schulklassen fehlen

"Trotz der Schließung der Gedenkstätte ist ein individuelles, stilles Gedenken auch im Ehrenhain Zeithain möglich", sagt die Pressesprecherin. Unter Beachtung der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung bestehe die Möglichkeit, die Friedhöfe zu besuchen und Blumen niederzulegen. Wie viele davon Gebrauch machen, bleibt abzuwarten.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass in diesem Jahr viel weniger Besucher ins Ehrenhain kommen als sonst. Es fehlen vor allem die Schulklassen, die ihren Geschichtsunterricht über den Zweiten Weltkrieg nach Zeithain verlegen. "Alle Klassen haben abgesagt", so Nora Manukjan. Die Gedenkstätte sei gerade dabei gewesen, einen guten Kontakt zur Oberschule Ebersbach (bei Großenhain) aufzubauen. "Wir wollten mit den Ebersbacher Schülern ein größeres Projekt machen",  erzählt sie. Doch wegen Corona wird daraus vorerst nichts.

Auch eine neue Ausstellung mit Fundstücken aus dem Kriegsgefangenenlager musste verschoben werden. Sie sollte am Donnerstag im Rahmen der Gedenkfeier eröffnet werden. Das wird wohl nun frühestens im Herbst möglich sein. 

Wehrmacht ließ Gefangene verhungern

In Vorbereitung des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion errichtete die deutsche Wehrmacht 1941 in Zeithain ein sogenanntes „Russenlager“ für sowjetische Kriegsgefangene. Im Verlauf des Krieges kamen auch Gefangene anderer Länder ins Lager. Obwohl die sowjetischen Kriegsgefangenen von Beginn an für den Arbeitseinsatz bestimmt waren, sorgte die Wehrmacht nicht für ihre ausreichende Versorgung. Zwischen 25.000 und 30.000 sowjetische sowie 873 italienische Gefangene starben infolge vorsätzlich herbeigeführter Unterernährung und daraus resultierender Krankheiten. 

Die wenigen Gäste der kleinen Gedenkfeier hielten sich an die vorgeschriebene Zwei-Meter-Abstandsregel.
Die wenigen Gäste der kleinen Gedenkfeier hielten sich an die vorgeschriebene Zwei-Meter-Abstandsregel. © Sebastian Schultz

Nach Beginn des Angriffs auf Berlin im April 1945 rückte die Rote Armee rasch in Richtung Elbe vor. Die deutschen Wachmannschaften verließen in der Nacht vom 21. auf den 22. April 1945 das Kriegsgefangenenlager und flohen über die Elbe, wo sich die Amerikaner näherten. 15.000 Gefangene blieben in Zeithain zurück. Im Verlauf des 23. April erreichten erste sowjetische Soldaten das Lager. 

Polnische Gefangene übernahmen in den ersten Tagen nach der Befreiung die medizinische Versorgung der Kranken im Lager. Bei weitem nicht alle befreiten Insassen konnten nach Hause zurückkehren. Die monatelang erduldeten katastrophalen Lebensbedingungen, vor allem für die sowjetischen und italienischen Gefangenen, hatten dazu geführt, dass viele derart geschwächt waren und sie trotz medizinischer Hilfe noch Wochen nach der Befreiung starben.

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