Von Jörg Marschner
Knapp elf Monate nach der verheerenden Flut bietet Weesenstein wieder alles, was man zum Leben braucht. Und am Sonnabend öffnet auch der kleine Schlosspark in alter Pracht. Andererseits ist hier noch vieles schwierig. Schlossbrauerei-Chef Uli Betsch etwa hat zwar zwei neue Esel mit Nachwuchs, um Hopfen und Malz in traditioneller Weise – auch als Touristenattraktion – vom Tal hoch zum Schloss zu transportieren. Nur einen Stall für die Tiere darf er nicht bauen.
Die Kinder des Ortes – ohnehin weniger als vor der Flut – wünschen sich dringend einen Spielplatz. Der alte ist eingezäunt, da nach der Flut nicht mehr TÜV-gerecht. An Geld für einen neuen fehlt es nicht, aber auch der darf und kann nicht gebaut werden. In Weesenstein gibt es zurzeit überhaupt keine Baugenehmigung, weil das große Hochwasserschutzkonzept noch nicht endgültig steht. Doch Land scheint in Sicht zu sein. Denn am 15. Juli soll das Konzept von Sachsens Umweltministerium bestätigt werden, das erfuhren die Weesensteiner am Montagabend auf einer Einwohnerversammlung, zu der der Landtagsabgeordnete Klaus Leroff (CDU) Experten eingeladen hatte.
Doch auch danach wird es mit dem Bauen nicht gleich in die Vollen gehen. Dann nämlich wird die Landestalsperrenverwaltung die schon begonnenen Planungen weiter vorantreiben, in welchem Maße denn das Flussbett der Müglitz innerhalb des Ortes ganz konkret erweitert werden muss, um für künftige Fluten aufnahmefähiger zu sein. Und weil es sich hier nicht um Peanuts, sondern um richtig große Summen handelt, muss das Projekt dann den üblichen Verwaltungsweg zur Bestätigung gehen.
Der erste Bagger kommt vielleicht im Dezember
Erst wenn der Behördenweg absolviert ist, kann es wirklich ans Bauen gehen – sowohl an der Müglitz als auch beim Eselstall. Hans-Jürgen Glasebach, Chef der Landestalsperrenverwaltung (LTV), hofft, dass es „noch dieses Jahr mit großem Gerät losgeht am Fluss“. Vielleicht im Dezember, sagen andere. Die Weesensteiner brauchen also Geduld. Der Blick auf die Geröllhalde unterhalb des Schlosses, wo vor der Flut dicht gedrängt sieben Häuser standen, bleibt ihnen und den Touristen noch längere Zeit nicht erspart.
Sehr vermisst wird von manchen Einwohnern auch die Brücke zwischen dem alten, zerstörten Ortskern und der Schlossgaststätte. Eine Behelfsverbindung wurde als zu teuer und bautechnisch zu schwierig abgelehnt. Ein Neubau aber kann erst in Angriff genommen werden, wenn das Flussbett der Müglitz jene Gestalt angenommen hat, die der Hochwasserschutz erfordert. Am Montag wollte sich keiner der Experten darauf festlegen, dass es die neue Brücke schon nächstes Jahr geben könnte. 2005 ist wohl wahrscheinlicher. Auch hier also: Geduld, Geduld.
Das aber führt zu einem weiteren Problem: Alle Förderbescheide und die damit verbundenen Gelder tragen das Verfallsdatum Ende 2004. So ist nun mal das Gesetz. Die umfangreichen Spenden, die Weesenstein aus ganz Deutschland erhielt, müssen bis dahin ebenfalls verbraucht sein. „Wir sind dran, den Einsatz der Sondermittel verlängern zu dürfen“, sagt dazu LTV-Chef Glasebach. Beim heutigen Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder in Pirna soll auch das ein Thema sein.
Eine Information erfreute die Weesensteiner: Noch vermutlich dieses Jahr soll ihnen der Entwurf eines Ortsgestaltungskonzepts zur Diskussion vorgelegt werden. Dabei wird es ganz besonders darum gehen, was aus der großen Lücke wird, die die Flut in den Ort riss. Den Auftrag zur Erarbeitung eines solchen Konzepts erteilte das sächsische Umweltministerium. Es reagiert damit auf die von vielen Weesensteinern und vom Gemeinderat geäußerte Befürchtung, die jetzige Geröllfläche könnte zu einer dauerhaften Brache verkommen. „2005 wird Weesenstein wieder ein geordnetes Bild bieten“, versprach Leroff.
Für Jörg Zocher und seine Familie brachte der Montagabend wieder mal eine überraschende Wendung. Vor sieben Wochen war ihm, auch auf einer Einwohnerversammlung, nahe gelegt worden, auch er solle doch Haus und Grundstück aufgeben, ans Land verkaufen und anderswo neu bauen, der Standort sei viel zu gefährdet. Jörg Zocher fühlte sich wie erschlagen, als er das hörte, rang sich aber durch. Vorgestern nun wurde ihm ebenfalls von Experten gesagt, sein Haus sei „kein Problemfall“. Später wurde hinzugefügt, es müsse jedoch in Bezug auf Wasserdurchfluss und Strömung alles noch ganz genau durchgerechnet werden – was nicht so einfach sei, außerdem gebe es viele solche Fälle. „Da hänge ich ja weiter im Schwebezustand“, konnte Jörg Zocher da nur stöhnen. Auch für ihn gilt also: Geduld, Geduld! Was sich von Außenstehenden leichter sagen als von Betroffenen ertragen lässt.