Von Ines Eifler
Die Gesichter über den schmalen Körpern erzählen von Schmerz, Hingabe, Stolz und Einsamkeit. Die Gesten der übergroßen Hände zeigen klar, in welcher Beziehung jemand zu seiner Umwelt steht. Und die Haltungen der ungewöhnlich proportionierten Körper verraten eine Menge über den Stand, den einer in der Welt hat.
Es ist immer ein einziges Gefühl, ein Ausdruck, eine Sichtweise, auf die Christian Schulze jede seiner kleinen Skulpturen aus Ton und Gips reduziert hat. Der 1946 in Görlitz geborene Dresdner Bildhauer muss seine Mitmenschen sehr genau beobachtet haben und den Zusammenhang zwischen inneren Vorgängen und äußerem Anschein, zwischen Psyche und Körper sehr gut kennen. Denn seine 50 Figuren, die der Oberlausitzer Kunstverein gerade in der Nikolaikirche ausstellt, machen sehr deutlich, was Menschen bewegt. Vom In-sich-Gekehrt-Sein, das einen den Kopf in die ausgebreiteten Arme versenken lässt, bis zum ambivalenten Hin-und Hergerissen-Sein mit Schritt nach vorn und Blick zurück. Selbst wenn Schulze und der Kunstverein vergessen hätten, die Titelschilder anzubringen, würde man oft mühelos erkennen, welche Figur die „Stolze“ ist, welche „Verschlossen“, welche „Neugierig“, welche „Eingeschüchtert“ und welche den „Rückzug“ verkörpert. Eine der eindrucksvollsten Werke ist Schulzes „Angstsäule“, ein über zwei Meter hoher Stab, an den sich hoch oben einer mit Händen und Füßen geklammert hat.
Die meisten anderen Skulpturen sind auf Stelen wie ein Wald angeordnet, durch den man sich von einer Stimmung zur nächsten treiben lassen kann, um immer mehr zu erstaunen, wie viele unterschiedliche Gefühle uns eigentlich zur Verfügung stehen und unser Erleben ausmachen.
Da es Schulze darum geht, „dem inneren Zustand von Menschen Ausdruck zu geben“, wie er selbst sagt, finden sich hier keine „schönen“ Formen im klassischen Sinne. Die Gesichter der Akte, egal ob der kräftigeren männlichen oder der zierlicheren weiblichen, sind fast immer herb, die Köpfe kahl, die Gliedmaßen zu lang oder zu dick im Verhältnis zur Körpergröße. Doch gerade dieses Ungeschlachte, Urwüchsige, verstärkt durch die groben Oberflächen der Skulpturen, greift oft direkt auf das Gefühlsleben des Betrachters zu.
Ausstellung in der Nikolaikirche, bis 12. Mai, täglich von 10 bis 16 Uhr, geöffnet