Von Ina Förster
Kamenz. Rumballern. Amokläufe. Unfälle mit Waffen. Selbstmorde. Übermäßiger Alkoholgenuss und verstaubte Uniformen mit Hirschhornknöpfen – die Liste der Klischees über Schützen ist lang. Und deren Imageproblem in den letzten Jahren gewachsen. So glaubt man zumindest, folgt man Berichten. Selten finden positive Dinge den Weg ins Licht. Doch an der Kamenzer Schützengesellschaft scheint das abzuperlen. Die 95 Mitglieder sprechen ihre eigene und deutliche Sprache. Tendenz steigend. Seit 2012 nahm hier das Interesse am Schießsport sprunghaft zu. Der Verein ist quicklebendig und auf dem neuesten Stand der Dinge. Und tut ganz nebenbei auch noch einiges Gute für die Stadt.



Das liegt wohl zum einen auch am Schießstand, auf den man seit 2012 auf vereinseigenem Gelände in Bernbruch einlädt. Von überall kommen die Sportschützen her – aus der gesamten Kamenzer Region, bis nach Dresden, Bischofswerda. Dabei gibt es nicht wenig Mitkonkurrenz in der Umgebung. Doch nicht viele von den anderen Vereinen verfügen über solche Voraussetzungen. Ein Glücksfall, der Verantwortung und Arbeit bedeutet, aber sich mittlerweile rentiert. „Als wir das bisherige angemietete Areal dann 2012 kaufen konnten, war das eine große Sache“, sagt Präsident Dieter Raack. Der vereinseigene Feuerwaffenschießstand, auf dem Entfernungen von 25 und 50 Meter mit Lang- und Kurzwaffen bis 7000 Joule geschossen werden können, ist Anziehungspunkt für viele. Täglich ist das Training möglich. Auch die Sächsische Wachpolizei bildet hier Leute aus. Und der Pulsnitzer Schützenverein nutzt die Anlage. Noch im Herbst ist der Bau einer 100-Meter-Bahn geplant.
Fit in Sachkunde
Zulauf hat der Kamenzer Verein aktuell vor allem von Männern im mittleren Alter. Mitunter kommen Frauen dazu, doch sie sind immer noch in der Unterzahl. „Obwohl sich das weibliche Geschlecht sehr gut anstellt im Umgang mit Waffen“, so Benedikt Krainz. Der Schönteichener ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Und weiß, wie man wirbt. Auch dank der funktionierenden Homepage und guter Pressearbeit, sind die Kamenzer über den Tellerrand hin bekannt in der Szene. „Bis vor wenigen Jahren hatten wir noch Angst vor Überalterung. Wir haben uns jahrelang um jungen Nachwuchs bemüht. Den haben wir zwar auch gefunden, aber das Gros unserer Mitglieder findet erst zu uns, wenn die wichtigen Dinge im Leben abgeschlossen sind – Familienzuwachs, Hausbau, Arbeit“, so Krainz. Das Hobby zählt nicht gerade zu den preiswertesten. Waffen und Munition kosten viel Geld. Ehe man eine Waffenbesitzkarte bekommt, muss man einen langen Weg gehen. Mindestens ein Jahr muss man sich im Verein beweisen. Eine Vollmitgliedschaft kostet 170 Euro. Es bedarf außerdem einem regelmäßigen Schießtraining, man muss fit in Sachkunde sein und das letzte Wort hat das Landratsamt, in dem es Zuverlässigkeit und persönliche Eignung überprüft. „Das schlechte Image vom schießwütigen Schützen stimmt also nicht. Waffenbesitzer sind extrem diszipliniert. Nur die kleinste Verfehlung, sei es im Straßenverkehr, und wir müssen die Waffenbesitzkarte abgeben. Aller drei Jahre gibt es strenge Kontrollen“, erklärt Benedikt Krainz. Trotzdem schwebe das Damoklesschwert der Unzuverlässigkeit immer über einem, heißt es. Manchmal nervt das, weil man sich ständig erklären müsse gegenüber Kritikern. Dabei geht es um die Frage: Warum schießt der Mensch eigentlich?
Ehrenspalier zum Salutkommando
Aktionstag in Bernbruch
Geschäftsführer Thomas Reinecke bringt es auf den Punkt: „Weil es einfach Spaß macht. Und auch wenn wir einige leistungsfähige Schützen haben, die regelmäßig zu Wettkämpfen deutschlandweit fahren und da auch sehr erfolgreich sind, sehen die meisten von uns den Schießsport in erster Linie als Breitensport an, bei dem der Spaß im Vordergrund steht!“ Sportschießen zwingt zur inneren Ruhe. Man ist oft fasziniert vom körperlichen und seelischen Zusammenspiel beim Zielen und Treffen, von der Magie der Scheibe. Auch die über 600-jährige Schützentradition in der Lessingstadt spiele da mit. Wenn bei Mitglieder-Jubiläen oder Events das Ehrenspalier zum Salutkommando aufgebaut wird, sorgt das für Gänsehaut bei dem ein oder anderen. „2019 binden wir das 25. Treffen der sächsischen Schützenvereine ins Forstfest ein. Das wird eine große Sache und sorgt für Programmänderungen“, verrät Thomas Reinecke schon einmal. Überhaupt präsentiert sich der Verein gern in der Öffentlichkeit. Ob Tage der offenen Tür, Flugplatzfest oder Charity-Events – Schießen für den guten Zweck ist angesagt. Zuletzt floss das Geld in die Kinderkrebshilfe, im September ist der Kinderschutzbund dran. Auch neue Mitglieder werden so gelockt. „Wer Lust hat, kann immer zum Probetraining kommen. Seit Mai bieten wir auch Bogenschießen an“, so Dieter Raack.