Von Reinhard Leue
Immer wieder entzündet sich die Diskussion um die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Am Anfang der Bibel steht über sie: „Gott sprach: es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ Daraus leiteten Männer oft ab, dass die Frau in erster Linie „Hausgehilfin“ sei. In der englischen Bibelübersetzung steht da „Partnerin“, in der katholischen „eine Hilfe machen, die ihm entspricht“. Der Alttestamentler Gerhard von Rad sagt dazu: „Einsamkeit wird hier als Hilflosigkeit definiert. Gott schenkt dem Mann eine gleichgeartete Ergänzung, einen Beistand, nicht nur Gehilfin. Jesus hat als Erster die Frau eigenständig für wert geachtet“, sie nicht nur als ein „Objekt männlicher Begierde“ oder als Fortpflanzungswesen gesehen. Er hat wohl deshalb auch nicht geheiratet. Er begegnet Frauen anders, als es zu seiner Zeit üblich war. Er führt mit ihnen Gespräche, er stempelt sie nicht als Sünderinnen ab, sondern lässt sie erfahren, dass sie auch Gottes geliebte Geschöpfe und Kinder sind. Jesus lässt zu, dass sie ihn begleiten, nahm sie in seine Nachfolge und traut ihnen zu, dass auch sie wahren Glauben haben, er ehrt sie als ein echtes Gegenüber.
Martin Luther durchbricht die Lehre der römisch-katholischen Kirche vom Zölibat und heiratet 1525 Katharina von Bora, eine Nonne. Sie war 25, er 42 Jahre alt. Er zeugt mit ihr fünf Kinder, aber er sieht in ihr nicht nur die Mutter und Hausfrau, sondern lässt ihr eine große Freiheit, sich zu entfalten und zu verwirklichen.
Sie hatte in einem Kloster für damalige Zeiten eine privilegierte Ausbildung als Frau. Sie konnte nicht nur lesen, schreiben und singen, sondern war bewandert in der Krankenpflege, in Gartenbau und Heilmittelzubereitung, aber auch im Kochen, Nähen und Sticken. Das Schwarze Kloster in Wittenberg war nicht nur Wohnhaus der Familie Luther, sondern wurde zum ersten deutschen Pfarrhaus. Frau Katharina betrieb Gartenbau, Tierzucht, eine Brauerei und erwarb später ihr elterliches Gut Zülsdorf und bewirtschaftete es. Aber sie verdiente auch Geld durch eine Art Studentenwohnheim in den ehemaligen Klosterzellen und betrieb dazu noch eine Mensa für Studenten. Sie war eine höchst aktive und selbstständige Frau. Luther in seiner humorigen Art hat das auch erkannt, wie wir aus seinen Briefen an „Frau Käthe“ ablesen können: „Meine liebe Herrin“, „der reichen Frau zu Zulsdorf“, „Bräuerin, Gärtnerin, Predigerin und Richterin auf dem Saumarkte zu Wittenberg.“
Reinhard Leue ist Pfarrer im Ruhestand aus Rothenburg.