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Geigendieb trickst Musiklehrer aus

Auf perfide Art wurden einem 84-jährigen Chemnitzer Instrumente im Wert von 28 000 Euro abgenommen. Führt die Spur nach Österreich?

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Von Maria Fricke

Dass er soeben Opfer eines Betrügers geworden ist, merkte Johannes Oelsner erst nach einer Stunde. Nachdem der Täter die Wohnung des 84-Jährigen in Chemnitz verlassen hatte, rief der Rentner die Polizei. Zwei Geigen, vier Meisterbögen, zwei Goldringe und zwei Gedenkmünzen hat der Unbekannte mitgenommen. Gesamtwert der Beute: 28 000 Euro.

Musiklehrer Johannes Oelsner gab Hinweise für ein Phantombild des Betrügers. Fotos: privat, Polizei
Musiklehrer Johannes Oelsner gab Hinweise für ein Phantombild des Betrügers. Fotos: privat, Polizei

Auf einfühlsame Weise habe sich der Täter das Vertrauen von Oelsner erschlichen, wie der langjährige Musiklehrer an einer Musikschule in Döbeln erzählt. Vor allem damit, dass er vorgab, der Enkel von Juden zu sein, die in Auschwitz und Dachau ums Leben gekommen sind. „Damit hat er mir das Herz geöffnet.“ Am 6. Mai sei er in Döbeln von dem Fremden angesprochen worden. Weil der Rentner einen Geigenkasten bei sich hatte, fragte ihn der Mann, ob er weitere alte Instrumente oder Möbel habe, die er verkaufen würde. „Ich habe ihm höflich geantwortet, dass ich so etwas nicht habe“, so Oelsner. Trotzdem erzählte der Senior dem Mann von zwei Geigen in seiner Wohnung. Er hatte auch nichts dagegen einzuwenden, dass sie sich die Instrumente zusammen anschauen.

In der Wohnung angekommen, habe der Fremde sofort das Bild des Geigenvirtuosen David Oistrach angesprochen, das dort hing. Der Mann erzählte dem Musiklehrer von seinem Sohn, der in Wien Geige studiere und bald einen Auftritt als Solist habe. Dafür benötige er noch ein Instrument. „Er bat mich, seinem Sohn zu helfen und ihm eine Geige zu verkaufen“, sagt Oelsner, der immer noch vier Tage in der Woche als Honorarlehrer an der Musikschule unterrichtet.

Die beiden verabredeten ein weiteres Treffen, dieses Mal in der Chemnitzer Wohnung des Opfers, wo Oelsner weitere Instrumente hat.

In Chemnitz zeigte der gebürtige Ostrauer dem Betrüger zwei Geigen, vier Meisterbögen der Marken Zanotti, Albert Nürnberger, Bausch sowie Rau Sohn, einen Goldring mit fünf Smaragden und einen weiteren mit einem Rubin sowie zwei Gedenkmünzen. Der Fremde habe vorgegeben, für eine Antikfirma zu arbeiten. „Sein Chef sei Millionär, und er würde mir Höchstpreise zahlen“, so Oelsner. Unter anderem für einen wertvollen Teppich, den der Musiker aus der zweiten Etage der Wohnung holen ging. Diese unbeobachtete Minute nutzte der Täter, um die ausgebreiteten Waren in ein Bettlaken einzuwickeln und damit zu verschwinden.

Die gestohlenen Instrumente haben für den Musiklehrer nicht nur einen hohen finanziellen Wert. Zwischen 80 und 90 Jahre alt ist etwa die italienische Geige „Ungharelli Ferrara“, die Oelsner einst von Geigenbauer Joachim Franke aus Leipzig erworben hat.

Die Ermittlungen in dem Fall sind schwierig. Als letzte Möglichkeit hat die Polizeidirektion sich jetzt mit einem Phantombild an die Öffentlichkeit gewandt. Mit Beschluss des Amtsgerichtes Chemnitz ist dieses gestern zur Veröffentlichung freigegeben worden. „Es gab einen ähnlichen Fall in Österreich“, sagt Jana Kindt, Sprecherin der Polizeidirektion Chemnitz. Die Täterbeschreibungen würden sich gleichen. Ob es wirklich einen Zusammenhang zwischen den Fällen gebe, würden erst die Ermittlungen zeigen.