Spenden für die letzte Reise der toten Kinder

Wie kann man zwei Kindern helfen, die nicht mehr leben? Die wahrscheinlich von ihrem Vater ermordet wurden? Wie kann man ihrer Mutter helfen, deren Familie jäh zerstört wurde? Die im Krankenhaus liegt und im entscheidenden Moment nichts tun konnte für ihre Kinder? Wie kann man trauern, wenn der Trauergrund so monströs ist, dass niemand dafür eine auch nur annähernd plausible Erklärung hat?
Sascha Ifflaender hat sich diese Frage gestellt. Zu Maya und Leo hatte er kaum Kontakt, ebenso wenig zu ihrer Mutter Marieta. „Maya und Leo sind viel zu früh aus ihrem Leben gerissen worden“, hat der Dresdner Kinderarzt im Internet geschrieben. „Aus dem Leben ihrer Mutter und ihrer Familie, aus den sorgenden und tröstenden Armen ihrer Erzieher und den Abenteuergeschichten ihrer kleinen Freunde und Freundinnen.“
Einer dieser kleinen Freunde war sein Sohn. Er ist zusammen mit einem der getöteten Kinder in den Kindergarten gegangen. In welchen, das will Sascha Ifflaender nicht sagen, um die Kinder zu schützen. „Alle sind betroffen, die Kinder, die Eltern und die Erzieher“, sagt der Kinderarzt. „Alle sind fix und fertig.“ Er selbst ist es auch. „Das macht uns alle fassungslos“, beschreibt er seine Gefühle, „wir sind auch total hilflos und wissen gar nicht, was wir machen können.“
Sascha Ifflaender hat trotzdem gehandelt. Am Montag hat er eine Spendenaktion für die toten Kinder gestartet. 5 000 Euro will er sammeln. Das Geld ist für die letzte Reise der Geschwister gedacht. „Mayas und Leos Mama wünscht sich eine Beisetzung der Kinder ganz nah bei ihrer Familie im Senegal“, erklärt Ifflaender den Zweck der Spenden.
Von dort stammt Marieta S. F., dort hat sie der mutmaßliche Mörder ihrer Kinder vor knapp vier Jahren geheiratet. Mehr als 100 Menschen haben gespendet, bevor sein Aufruf einen Tag alt war, zwischen fünf Euro und 250 Euro. Fast vier Fünftel der Summe sind schon am ersten Tag auf dem Konto eingegangen. „Das war als ganz kleine Aktion geplant, aber wir haben ein großes Echo und viele Spenden“, berichtete der Kinderarzt am Dienstag. Wahrscheinlich gehe es vielen Dresdnern wie ihm, schlussfolgert er aus der Spendenbereitschaft. „Das ist auch so ein bisschen Trauerarbeit.“
Ob das Geld für die Reise der Mutter und ihrer toten Kinder in den Senegal reichen wird, weiß er noch nicht. „Das ist eine Schätzung, was die Überführung kosten könnte“, sagt Ifflaender, „das kann auch teurer sein“. Der Verwendungszweck sei aber mit der Familie der 26-Jährigen abgesprochen. Hilfe bekommt der Kinderarzt bei seiner Aktion von der Opferhilfe Sachsen, die Betroffene, Angehörige und Zeugen von Straftaten berät und begleitet. Der Förderverein eines der Kindergärten, in die Maya und Leo gegangen sind, wird das Geld treuhänderisch verwalten, wenn die Spendenaktion abgeschlossen ist. Sie soll eine Woche lang laufen, also bis zum 20. Mai.
Kommt mehr zusammen, als die Familie für die Senegal-Reise braucht, will Ifflaender gemeinsam mit der Opferhilfe und nach Rücksprache mit der Familie beschließen, was mit dem zusätzlichen Spenden passieren soll. „Das machen wir ganz transparent und das veröffentlichen wir dann auch auf der Seite der Spendenkampagne“, versichert der Kinderarzt.
Unterdessen legen noch immer Trauernde frische Blumen vor das Haus in der Stetzscher Straße ab, in dem Maya und Leo gestorben sind. Die Staatsanwaltschaft hat noch keine weiteren Einzelheiten zum Tod des Geschwisterpaars und den Hintergründen der Tat bekannt gegeben. Unbeantwortet ließen die Ermittler auch die Frage, ob sich Laurent F. zu den Mordvorwürfen gegen ihn geäußert hat.
Der mutmaßliche Täter stand schon mehrfach in Dresden vor Gericht. Vor 16 Jahren gewann er dabei sogar die Sympathien vieler Dresdner. Er war wegen Körperverletzung angeklagt, musste damals 450 Euro Geldstrafe zahlen. F. hatte in einem Schnellimbiss in Prohlis einem Mann eine Ohrfeige gegeben, der laut Gericht ein Kind mindestens zur Seite gestoßen haben soll. Die Mutter dieses Kindes berichtete damals, der Täter habe ihren Sohn Max brutal gegen eine Glasscheibe geschleudert, der Fünfjährige erlitt schwere Prellungen. Laurent F. schritt ein und ohrfeigte den Mann. Dafür wurde er im September 2003 zu der Geldstrafe verurteilt. Viele Dresdner belohnten die Courage des gelernten Kochs daraufhin mit Spenden, damit Laurent F. die Geldstrafe aufbringen kann.
Jetzt spenden sie für die Kinder, die der heute 55-Jährige am vergangenen Donnerstag ermordet haben soll.
Die Spendenaktion für die Kinder läuft auf der Internetplattform Gofundme.